Die wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie haben insbesondere Selbstständige hart getroffen. Mehr als ein Drittel von ihnen verlor im Verlauf der Pandemie einen Teil des Einkommens, wie eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung zeigt. Selbstständige machten sich auch häufiger Sorgen um ihre finanzielle Situation als Angestellte. Die Situation der Selbstständigen mache bedeutsame Lücken im Sozialsystem sichtbar, erklärten die Studienautoren.
“Die Erfahrung mit der Pandemie verdeutlicht, dass der Mangel an sozialer Absicherung für Selbstständige eine schwerwiegende und folgenreiche Lücke in den Sozialversicherungssystemen darstellt”, schrieben die Autoren. Selbstständige sollten deshalb “möglichst umfassend” in die staatlichen Versicherungssysteme einbezogen werden.
Für die Studie werteten die WSI-Forscher Daten der Erwerbspersonenbefragung der Hans-Böckler-Stiftung aus. Für diese wurden zuletzt im Juli 2021 gut 5000 Erwerbstätige und Arbeitssuchende befragt.
Von den Selbstständigen musste laut der Studie ein Drittel während der Corona-Pandemie das eigene Arbeitspensum aufgrund von Auftragseinbrüchen oder Lieferengpässen einschränken. Auch aktuell lägen Selbstständige mit einem Arbeitspensum von durchschnittlich 31,9 Wochenstunden noch deutlich unter dem Vorkrisenniveau von 37,7 Stunden.
Selbstständige machten sich seit Beginn der Krise auch deutlich häufiger Sorgen um ihre Beschäftigung und wirtschaftliche Existenz als Angestellte. Im April 2020 waren es bei den Selbstständigen 35 Prozent, zuletzt noch 19 Prozent. Bei Festangestellten waren es im Vergleich 22 beziehungsweise zwölf Prozent. Selbstständige nahmen ihre professionelle Situation auch deutlich häufiger als äußerst oder stark belastend wahr. Insbesondere Soloselbstständige fühlten sich dabei in finanzieller Hinsicht stark belastet.
Tatsächlich führte die Corona-Krise bei den Einkommen von Selbstständigen zu einer deutlichen Verschiebung nach unten: Der Anteil der Selbstständigen mit einem Einkommen von weniger als 1500 Euro netto im Monat verdoppelte sich, am stärksten betroffen waren soloselbstständige Frauen. Im Juli hatten 33 Prozent von ihnen ein Nettomonatseinkommen von unter 1500 Euro, bei den Männern waren es 18 Prozent.
Die Studienautoren forderten, auf eine “sozialversicherungsrechtliche Gleichbehandlung von Selbstständigen und abhängig Beschäftigten” hinzuwirken. So sei eine allgemeine Altersvorsorgepflicht nötig, dies solle über die gesetzliche Rentenversicherung umgesetzt werden. Der fehlende Arbeitgeberanteil könnte demnach zumindest teilweise durch staatliche Zuschüsse abgedeckt werden. Außerdem sollten sich die Krankenkassenbeiträge am realen Einkommen der Versicherten orientieren. Auch Tarifverträge für Soloselbstständige hielten die WSI-Forscher für sinnvoll.
Quelle: AFP