Spitzenpolitiker von SPD, FDP und Grünen planen für die nächste Legislaturperiode eine neue Wahlrechtsreform auch gegen den Widerstand der Union. “Die derzeitige Rechtslage beim Wahlrecht ist nur eine Zwischenlösung”, sagte SPD-Parlamentsgeschäftsführer Carsten Schneider am Montag dem Portal “ThePioneer”. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen, Britta Haßelmannn sagte, die “völlig gescheiterte Wahlrechtsreform” der GroKo gefährde Ansehen und Arbeitsfähigkeit des Parlaments. FDP-Fraktionsgeschäftsführer Marco Buschmann sagte angesichts des zu erwartenden XXL-Bundestags, Union und SPD hätten “völlig verantwortungslos” agiert.
Nur eine Koalition ohne CDU und CSU werde “die Kraft haben, eine Reform des Wahlrechts hinzubekommen”, sagte Schneider. Insbesondere die CSU sei “nach dem gegenwärtigen Wahlrecht für den größten Teil der Überhangmandate verantwortlich, die nicht durch Zweitstimmen gedeckt sind.” Für die SPD werde immer entscheidend bleiben, dass die Sitzverteilung im Bundestag dem Zweitstimmenergebnis und damit dem Willen der Wählerinnen und Wähler entspreche, so Schneider.
FDP-Fraktionsgeschäftsführer Buschmann sagte: “Innerhalb der Großen Koalition trägt die CSU die Hauptschuld.” Sie habe “zu lange blockiert, die CDU hat das zu lange akzeptiert und die SPD meinte, dass sie von einem Schwarze-Peter-Spiel innerhalb der Großen Koalition profitiert”. So sei eine wirksame Dämpfung des Mandatswachstums ausgeblieben.
“Das Ansehen und die Arbeitsfähigkeit des Deutschen Bundestages werden durch die völlig gescheiterte Wahlrechtsreform von CDU, CSU und SPD gefährdet”, sagte Haßelmann. Sie fügte hinzu: “Für dieses Debakel trägt allen voran die CSU, und mit ihr CDU und SPD, die Verantwortung.”
Die Linksfraktion begrüßte den Vorstoß für eine erneute Reform. “Es ist gut, dass die SPD sich jetzt beim Wahlrecht bewegt”, erklärte ihr rechtspolitischer Sprecher Friedrich Straetmanns. Auch er wies allerdings darauf hin, dass die Sozialdemokraten für die aktuelle Lage mitverantwortlich seien. Straetmanns erinnerte zudem daran, dass seine Fraktion gemeinsam mit Grünen und FDP einen Alternativvorschlag gemacht hatte.
Der Bundestag ist mit 709 Mandatsträgerinnen und -trägern bereits heute so groß wie nie zuvor – die Regelgröße wären 598 Abgeordnete. Bei der anstehenden Wahl dürfte er nach Einschätzung von Expertinnen und Experten nochmals wachsen.
Union und SPD hatten sich im Herbst 2020 nur auf eine kleine Reform einigen können. Erst ab dem Jahr 2024 soll im Zuge einer größeren Reform die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 280 reduziert werden.
Dagegen hatten Grüne, Linkspartei und FDP gemeinsam vorgeschlagen, die Zahl der Wahlkreise bereits für die nun anstehende Bundestagswahl auf 250 zu verringern, was die Wahrscheinlichkeit von Überhang- und Ausgleichsmandaten erheblich vermindert hätte. Vor allem CDU und CSU sträubten sich jedoch lange dagegen, die Wahlkreiszahl überhaupt zu verringern.
Quelle: AFP