Vor dem ersten Zivilprozess wegen massenhafter Corona-Ansteckungen im Skiort Ischgl hat ein Vertreter der Kläger den österreichischen Behörden massives Versagen vorgeworfen. Bei dem Ausbruch im Frühjahr 2020 habe es ein “Multi-Organversagen der Behörden” gegeben, sagte am Freitag im RBB-Inforadio Peter Kolba, Vorsitzende des österreichischen Verbraucherschutzvereins (VSV), der die Klagen wegen des Corona-Ausbruchs in Ischgl unterstützt.
“Das beginnt auf der Gemeindeebene, setzt sich über Bezirk, Land bis zum Bund fort”, führte Kolba aus. Der zentrale Vorwurf laute: “Man hat zu spät gewarnt. Man hat zu spät beispielsweise Après-Ski-Lokale geschlossen. Und man hat überhaupt um eine Woche zu spät das ganze Skigebiet geschlossen.”
Nach Einschätzung des VSV-Chefs trugen die zögerlichen Reaktionen der österreichischen Behörden zur europaweiten Ausbreitung des damals neuartigen Coronavirus bei. “Hätte man eine Woche früher die Wintersaison heruntergefahren, hätten sich tausende Menschen in Ischgl jedenfalls nicht mit Covid infiziert und hätten es auch nicht nach Europa tragen können”, sagte Kolba dem Inforadio.
Mehr als 6000 Menschen aus 45 Ländern steckten sich nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr in Ischgl und anderen Tiroler Urlaubsorten mit dem Coronavirus an. Vor dem Wiener Landgericht beginnt am Freitag ein Zivilprozess, der die Verantwortung der Behörden klären soll. Klägerin sind die Witwe und der Sohn eines 72-jährigen ehemaligen Journalisten und leidenschaftlichen Skifahrers, der nach dem Ischgl-Urlaub an Covid-19 starb. Die Hinterbliebenen fordern 100.000 Euro Schadensersatz von Österreich.
Es ist die erste von 15 Klagen von Österreichern und Deutschen, die den Behörden schwere Fehler im Umgang mit der Pandemie vorwerfen. Die österreichischen Behörden weisen die Vorwürfe zurück.
Quelle: AFP