Für Hannes Schopf sollte es ein erholsamer Skiurlaub werden, doch der Ischgl-Urlaub im März 2020 endete mit seinem Tod nach einer Corona-Infektion. Die Hinterbliebenen des 72-Jährigen haben im ersten von einer Reihe von Zivilprozessen die Republik Österreich auf 100.000 Euro Schadenersatz verklagt. Ihr Anwalt warf den Behörden bis hin zu Kanzler Sebastian Kurz am Freitag vor dem Wiener Landgericht schwere Versäumnisse vor.
Es ist die erste von 15 Klagen von Österreichern und Deutschen wegen schwerer Fehler im Umgang mit dem Corona-Ausbruch in Ischgl und anderen Tiroler Wintersportorten. Mehr als 6000 Menschen aus 45 Ländern hatten sich dort nach eigenen Angaben im vergangenen Jahr mit dem Coronavirus angesteckt.
Der 72-jährige Schopf, ein ehemaliger Journalist und leidenschaftlicher Skifahrer, war nach seinem Ischgl-Urlaub im Frühjahr 2020 an Covid-19 gestorben. Für seine Witwe Sieglinde Schopf war dies umso schmerzlicher, als der 72-Jährige allein in einem Krankenhaus nahe Wien starb. “Meine Welt ist zusammengebrochen”, sagte Schopf im April in einem Interview mit der Nachrichtenagentur AFP.
Die Verhandlung vor dem Wiener Landgericht dauerte dreieinhalb Stunden, die Entscheidung des Gerichts soll schriftlich ergehen. Einen Termin dafür nannte Richterin Catrin Aigner nicht. Die Forderung des Kläger-Anwalts Alexander Klauser nach Zeugenbefragungen und Gutachten lehnte sie mit der Begründung ab, ihr lägen alle notwendigen Informationen vor.
Das Verfahren wurde von großem Medieninteresse begleitet. Im Gerichtssaal erschien Schopfs Sohn Ulrich, seine Witwe nahm nicht an der Verhandlung teil. Kläger-Anwalt Klauser sagte, die Witwe leide “noch jeden Tag” unter den psychischen Folgen des Todes ihres Mannes. Sohn Ulrich empfinde “Wut” auf die Behörden, die schuld daran hätten, dass sein vierjähriger Sohn nun ohne den Großvater aufwachse.
In einer Verhandlungspause sagte Ulrich Schopf vor Reportern, ihm gehe es um Gerechtigkeit. Er habe “das Gefühl, dass einfach alles unter den Teppich gekehrt werden soll”. Sollte ihm Schadenersatz zugesprochen werden, will er das Geld nach eigenen Angaben spenden.
Klauser nannte eine ganze Reihe von Versäumnissen der Behörden, durch die Ischgl und Umgebung zu einem Corona-Hotspot geworden seien. Er verwies auf den im vergangenen Oktober veröffentlichten Untersuchungsbericht einer unabhängigen Expertenkommission. Demnach reagierten die österreichischen Behörden zu spät auf den Corona-Ausbruch und schätzten die Lage falsch ein, nachdem sie aus Island am 5. März gewarnt worden waren, dass mehrere isländische Ischgl-Urlauber nach ihrer Rückkehr positiv auf das Virus getestet worden waren.
Während die Regionalregierung Zweifel an einer Ansteckung der Isländer in Ischgl äußerte, versäumten es die örtlichen Behörden Klauser zufolge, zumindest die Anreise weiterer Touristen zu verhindern. Außerdem hätten die örtlichen Behörden zu spät und unzureichend gehandelt, nachdem am 8. März 2020 die Corona-Infektion einer Arbeitskraft in Ischgls Gastronomie festgestanden habe.
Ein paar Tage später stellte Österreichs Kanzler Sebastian Kurz Ischgl unter Quarantäne und rief tausende Touristen auf, binnen weniger Stunden abzureisen. Sieglinde Schopf geht davon aus, dass ihr Mann sich mit dem Coronavirus ansteckte, als er bei der chaotischen Evakuierung drei Stunden lang inmitten von niesenden und hustenden anderen Touristen Bus gefahren sei.
Nach Angaben des österreichischen Verbraucherschutzvereins VSV, der die Klagen der Betroffenen unterstützt, starben von den tausenden Betroffenen 32 Menschen. Etwa fünf Prozent von ihnen leiden demnach unter den als Long Covid bekannten Langzeitfolgen der Infektion wie Kurzatmigkeit und Schlafproblemen.
VSV-Chef Peter Kolba sprach im RBB-Inforadio von einem “Multi-Organversagen der Behörden”. Gegen fünf Beschuldigte, darunter vier örtliche Behördenvertreter, laufen in der Sache strafrechtliche Ermittlungen.
Österreich ist in hohem Maße abhängig vom Ski-Tourismus. Die Corona-Pandemie verursachte in der Saison 2020/21 massive Besucher-Rückgänge, mancherorts um bis zu 90 Prozent.
Quelle: AFP