Die Vereitelung eines mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlags auf die Synagoge in Hagen hat in der jüdischen Gemeinde und unter Politikern Entsetzen ausgelöst. “Der Vorfall weckt schlimme Erinnerungen an den Anschlag an Jom Kippur vor zwei Jahren in Halle”, erklärte der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster am Donnerstag. Ein vorläufig festgenommener 16-Jähriger bestritt unterdessen laut einem Medienbericht die Anschlagspläne. Die Polizei ließ drei weitere Festgenommene mangels Tatverdachts frei.
Am Mittwoch waren Hinweise auf eine mögliche Gefährdungslage für die Synagoge in Hagen eingegangen. Schwer bewaffnete Polizisten umstellten daraufhin das Gotteshaus. Eine Hundertschaft war im Einsatz, der Bereich um das Gebäude war weiträumig abgesperrt.
Im Zusammenhang mit den laut Ermittlern mutmaßlich islamistisch motivierten Anschlagsplänen waren der 16-jährige Syrer sowie drei weitere Menschen vorläufig festgenommen worden. Ermittelt wird nach Behördenangaben wegen der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat.
Die drei bei der Durchsuchung der Wohnung des Hauptverdächtigen Festgenommenen ließ die Polizei am Donnerstag wieder frei. “Ein dringender Tatverdacht gegen diese drei Personen hat sich nicht ergeben”, teilte die Polizei Dortmund mit.
Wie der “Kölner Stadtanzeiger” unter Berufung auf Ermittlerkreise berichtete, bestritt der 16-Jährige in einer ersten Aussage konkrete Anschlagspläne. Der Jugendliche habe zwar ausgesagt, dass er sich über den Messengerdienst Telegram von einem Kontaktmann den Bau einer Bombe habe erklären lassen. Einen Anschlag auf das jüdische Gotteshaus habe er aber nicht geplant. Dem Bericht zufolge fanden die Beamten weder Sprengstoff noch Waffen in der Wohnung des Beschuldigten.
Die Staatsschützer und die Anti-Terror-Abteilung der Generalstaatsanwaltschaft Düsseldorf versuchen laut “Stadtanzeiger” nun anhand der Auswertung des Handys des Beschuldigten seine Absichten nachzuvollziehen.
Dem WDR sagte der Anwalt des Verdächtigen, Ihsan Tanyolu, er rechne damit, dass der Jugendliche schon bald wieder freigelassen wird. In der “Lokalzeit” sagte der Anwalt, an den Vorwürfen gegen seinen Mandanten habe sich “bis jetzt nichts erhärtet”. Nach Tanyolus Angaben ist keine Vorführung des Tatverdächtigen vor einen Jugendrichter geplant. “Da kann man schon sehen, dass da nicht viel dran ist.”
Zentralratspräsident Schuster erklärte: “Dass unsere Gemeinschaft erneut am höchsten Feiertag dermaßen gefährdet war, lässt uns tief besorgt zurück.” Es zeige, “dass die Aufstockung der Sicherheitsmaßnahmen bei vielen jüdischen Einrichtungen notwendig war und ist”.
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sicherte die Aufklärung der Anschlagspläne zu. “Die unmittelbare Gefahr ist gebannt – und wir werden alles tun, um aufzuklären, welche Netzwerke möglicherweise hinter diesem Anschlag standen”, sagte der Unionskanzlerkandidat in Bremen. Es werde alles getan, um die Sicherheit jüdischen Lebens zu garantieren.
Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (CDU) war am Mittwoch ein ernstzunehmender und konkreter Hinweis bei der Polizei eingegangen, der “Rückschlüsse auf eine islamistisch motivierte Bedrohungslage” zugelassen habe. Eine geplante Veranstaltung in der Synagoge wurde kurzfristig abgesagt und der Polizeischutz vor Ort intensiviert.
“Nach Räumung und Absuchung der Synagoge – auch mit Sprengstoffhunden – wurden bisher keine gefährlichen Gegenstände in oder im Umfeld der Synagoge festgestellt”, sagte Reul. Hinweise auf weitere Gefährdungen gab es nicht.
Die vereitelte Gewalttat in Hagen weckt Erinnerungen an den Anschlag von Halle am 9. Oktober 2019. Damals wollte ein Rechtsextremer – ebenfalls an Jom Kippur – einen Anschlag auf die Synagoge verüben, in der sich zu diesem Zeitpunkt 51 Menschen versammelt hatten. Nachdem er an der Tür gescheitert war, erschoss er auf offener Straße eine zufällig vorbeilaufende Passantin und später einen jungen Mann in einem Dönerimbiss. Der Täter ist inzwischen wegen zweifachen Mordes und vielfachen Mordversuchs verurteilt.
Quelle: AFP