Die Verbraucherpreise in Deutschland steigen so stark wie seit Jahrzehnten nicht mehr: Im August lag die Inflationsrate bei 3,9 Prozent, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte und damit vorläufige Angaben von Ende August bestätigte. Eine höhere Inflationsrate im Vergleich zum Vorjahresmonat hatte es zuletzt im Dezember 1993 mit einem Anstieg von 4,3 Prozent gegeben. Im Vergleich zum Vormonat Juli 2021 blieben die Verbraucherpreise allerdings unverändert.
Grund für den deutlichen Anstieg der Verbraucherpreise im Vergleich zum August des Vorjahres sind auch Sondereffekte im Zuge der Corona-Krise. Dazu zählt der sogenannte Basiseffekt durch die coronabedingte Senkung der Mehrwertsteuersätze im Juli 2020. Dieser hatte die Inflationsrate schon im Juli 2021 sprunghaft auf 3,8 Prozent im Vorjahresvergleich ansteigen lassen, da die zeitweilige Senkung der Mehrwertsteuer die Inflation im vergangenen Jahr spürbar gedrückt hatte, sich die Mehrwertsteuersätze für fast alle Waren und Dienstleistungen seit Jahresbeginn aber wieder auf dem vorherigen Niveau befinden.
Außerdem waren die Ölpreise im Corona-Jahr 2020 zeitweilig massiv eingebrochen. Im Vorjahresvergleich wirkt sich dies bei den Energiepreisen nun ebenfalls erhöhend aus. Hinzu kommt die Einführung der CO2-Abgabe seit Januar 2021, die Energieprodukte verteuert.
Das Statistische Bundesamt verwies zudem auf “krisenbedingte Effekte, wie die deutlichen Preisanstiege auf den vorgelagerten Wirtschaftsstufen”. Angesichts von Lieferengpässen hatte es zuletzt über verschiedene Wirtschaftszweige hinweg bei der Materialbeschaffung deutliche Preissteigerungen gegeben. Diese Effekte hätten sich bisher jedoch “nur teilweise und abgeschwächt im Verbraucherpreisindex niederschlagen”, erklärte Christoph-Martin Mai, Leiter des Referats Verbraucherpreise im Statistischen Bundesamt.
Vor allem die Preise für Energieprodukte lagen mit plus 12,6 Prozent im August deutlich über der Gesamtteuerung. Die Preise für Nahrungsmittel stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 4,6 Prozent, nach 4,3 Prozent im Juli 2021. Teurer wurden vor allem Gemüse (9,0 Prozent) sowie Molkereiprodukte und Eier (5,0 Prozent). Darüber hinaus verteuerten sich auch Gebrauchsgüter wie Fahrzeuge (5,5 Prozent) oder Möbel und Leuchten (4,0 Prozent) deutlich. Billiger wurden nur wenige Waren – zum Beispiel Fernsehgeräte (minus 0,7 Prozent).
Im Vergleich zum Vormonat Juli 2021 blieben die Verbraucherpreise indes stabil. Energieprodukte verteuerten sich nur gering um 0,4 Prozent. Hier standen nach Angaben der Statistiker den Preisanstiegen bei Kraftstoffen um 0,9 Prozent Rückgänge beim Heizöl von 1,7 Prozent gegenüber.
Wie schon im Juli sei die derzeit hohe Inflation “vor allem durch Sonderfaktoren zu erklären”, kommentierte der wissenschaftliche Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, Sebastian Dullien, die Zahlen. “Ohne die Sondereffekte läge die Inflation bei unter zwei Prozent”, erklärte er.
Die Zwei-Prozent-Marke wird vielfach von Zentralbanken als optimal für die Konjunktur bei gleichzeitig angestrebter Wahrung der Preisstabilität angepeilt; die Europäische Zentralbank (EZB) hatte ihr Inflationsziel im Juli auf exakt zwei Prozent festgelegt. Abweichungen nach oben und nach unten sollen damit gleichermaßen verhindert werden.
Der zuletzt deutliche Anstieg der Inflationsrate macht die Teuerung bei den Verbraucherpreisen unterdessen verstärkt zum Thema für die Politik: CSU-Chef Markus Söder sprach sich im “Handelsblatt” vom Freitag für eine “Inflationsbremse” aus. “Wir brauchen eine Obergrenze für die Inflation, bei der zwingend eingeschritten werden muss”, sagte der bayerische Ministerpräsident.
Die nächste Bundesregierung müsse sich in der Frage klar positionieren. Die deutschen Sparer würden schon unter den Nullzinsen leiden. “Wenn jetzt noch massiv steigende Inflation hinzukäme, dann wäre das eine schleichende Enteignung für die Mittelschicht”, sagte Söder.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Ernst, hob hervor, dass von der Entwicklung Arbeiter und Angestellte besonders betroffen seien und einen immer größeren Anteil ihrer Einkommen für Energie oder Grundnahrungsmittel aufwenden müssten. Nötig sei, Einkommensverluste durch starke Tarifabschlüsse auszugleichen.
Quelle: AFP