Taliban nehmen Pandschir-Tal "vollständig" ein

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Die letzte Bastion des Widerstands gegen die Taliban in Afghanistan ist offenbar gefallen: Die neuen Machthaber am Hindukusch teilten am Montagmorgen mit, dass das Pandschir-Tal “vollständig erobert” sei. Die Nationale Widerstandsfront (NRF) kündigte an, ihren Kampf “fortzusetzen”. Das Tal hat eine hohe symbolische Bedeutung: In den 80er Jahren verteidigten sich die Bewohner gegen die Sowjets, im darauffolgenden Jahrzehnt wehrten sie die Taliban ab und standen nie unter deren Kontrolle. Der Iran verurteilte den jüngsten Angriff der Taliban am Montag “scharf”.

“Mit diesem Sieg ist unser Land vollständig aus dem Sumpf des Krieges befreit”, erklärte Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid. Die Taliban waren bereits am Wochenende im gebirgigen Pandschir-Tal vorgerückt, um die Widerstandshochburg endlich einzunehmen. Sie meldeten schwere Kämpfe und Gebietsgewinn in der Provinz nördlich von Kabul. 

Die Nationale Widerstandsfront erklärte am Montag, sie sei immer noch in “strategischen Positionen” präsent. “Der Kampf gegen die Taliban und ihre Partner wird weitergehen”, hieß es von der Gruppe auf Twitter. In der Nacht zum Montag hatten die Widerstandskämpfer bereits einen Waffenstillstand vorgeschlagen – ein Zeichen für die drohende Niederlage gegen die vorrückenden Taliban. Wie die NRF am Sonntagabend mitteilte, wurden bei den Kämpfen auch ein bekannter Sprecher sowie ein General der Widerstandsgruppe getötet. 

Vor drei Wochen formierte sich in dem Tal die NRF unter Führung des Sohnes des 2001 getöteten afghanischen Kriegsherrn und Taliban-Gegners Ahmed Schah Massud sowie des ehemaligen Vizepräsidenten Amrullah Saleh. Letzterer hatte angesichts der Belagerung durch die Taliban vor einer humanitären Krise im Tal gewarnt.

Die Taliban warnten bei einer Pressekonferenz am Montag vor jeglichem Widerstand gegen ihre Herrschaft. Dieser würde hart bestraft werden, sagte Sprecher Mudschahid vor Reportern. Ehemalige Regierungstruppen, die in den vergangenen 20 Jahren ausgebildet wurden, forderte er auf, sich den Taliban anzuschließen.

Der Iran verurteilte die Offensive der Islamisten im Pandschir-Tal “scharf”. “Die Nachrichten aus Pandschir sind wirklich beunruhigend”, sagte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Said Chatibsadeh, am Montag in Teheran.

Drei Wochen nach der Machtübernahme haben die Taliban bislang immer noch keine Regierung gebildet. Mudschahid sagte nun, dass zunächst ein “Interimssystem” geben werde. “Die endgültigen Entscheidungen sind getroffen, wir arbeiten jetzt an den technischen Fragen.” 

Unterdessen gaben die Taliban Sicherheitsgarantien für humanitäre Helfer. Die Islamisten hätten in Gesprächen zugesichert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen sich im Land frei und sicher bewegen könnten, erklärte ein UN-Sprecher am Sonntag. Taliban-Sprecher Suhail Schaheen erklärte auf Twitter, die Taliban sicherten der UNO “Zusammenarbeit und die Bereitstellung der notwendigen Einrichtungen” zu.

Nach der Machtübernahme durch die radikalislamischen Taliban ist rund die Hälfte der afghanischen Bevölkerung nach Einschätzung der UNO von einer humanitären Katastrophe bedroht. Afghanistan war bereits zuvor in hohem Maße von humanitärer Hilfe abhängig. Rund 40 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden aus dem Ausland finanziert. 

Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) kündigte in der “Rheinischen Post” (Montagsausgabe) eine Verstärkung der deutschen Unterstützung für Hilfsorganisationen der UNO und anderer “erfahrener” Träger an, “um eine Hungerkatastrophe zu verhindern und die Ernährungsversorgung in Afghanistan aufrecht zu erhalten.”

Taliban-Sprecher Mudschahid hatte zuvor seine Bitte um Unterstützung der Bundesregierung bekräftigt: “Wir möchten, dass Deutschland uns im humanitären Bereich unterstützt und hilft, soweit die deutsche Regierung dies kann”, sagte er am Sonntag bei “Bild Live”. Außerdem lud er Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Afghanistan ein. “Wir würden uns wirklich sehr über sie freuen.”

Deutschland hat die Fortführung von Hilfszahlungen nach Afghanistan auch von der Einhaltung der Menschenrechte in dem Land abhängig gemacht. Die Taliban haben seit ihrer Machtübernahme Mitte August wiederholt versichert, ihre Herrschaft werde sich von ihrer Zeit an der Macht in den 1990er Jahren unterschieden. 

Damals mussten Frauen zu Hause bleiben, die meisten Unterhaltungsangebote waren verboten und es wurden Strafen wie Steinigungen und öffentliche Hinrichtungen verhängt. Anders als damals wollen die Taliban nun Frauen zwar den Besuch von Hochschulen erlauben – allerdings nur mit Gesichtsverhüllung, dem Nikab, sowie getrennt von Männern.

Unterdessen machte sich US-Außenminister Antony Blinken auf nach Katar, wo er am Montag erwartet wurde. Dort sind inzwischen die für Afghanistan zuständigen US-Diplomaten stationiert. Außerdem ist die katarische Hauptstadt Doha der wichtigste Ort internationaler Gespräche mit den Taliban.

Quelle: AFP

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