EU will in Krisen wie Afghanistan schneller eingreifen können

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Als Lehre aus dem Afghanistan-Einsatz will die Europäische Union ihre militärischen Krisen-Reaktionskräfte neu aufstellen. Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) plädierte am Donnerstag bei Beratungen der europäischen Verteidigungsminister im slowenischen Kranj für “Koalitionen von Willigen” – also Gruppen von EU-Staaten, die ihre militärischen Kräfte bündeln könnten. Nicht alle Europäer ziehen dabei an einem Strang.

Der chaotische Abzug der USA und ihrer Verbündeten aus Afghanistan hat der seit Jahren geführten Debatte um europäische Einsatzkräfte neue Dringlichkeit verliehen. Der EU-Beauftragte für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, forderte in Slowenien, die EU müsse sich “für künftige Herausforderungen besser vorbereiten”.

Der Spanier sprach sich erneut für eine schnelle Eingreiftruppe mit 5000 Soldaten aus. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatte bereits nach seinem Amtsantritt 2017 stehende Einsatzkräfte gefordert. Er will unter Frankreichs EU-Ratsvorsitz im ersten Halbjahr 2022 einen entsprechenden Beschluss erreichen – idealerweise vor den französischen Präsidentschaftswahlen im April.

“Es geht nicht darum, eine europäische Truppe zu haben, die über allem steht”, sagte dagegen Kramp-Karrenbauer. Afghanistan habe gezeigt, dass es auch um wichtige Fragen wie gemeinsamen Lufttransport und militärische Aufklärung gehe. Zwar müsse die EU bei der Verteidigungspolitik “selbstständiger handeln können”. Aber es sei “ganz wichtig, dass wir das nicht als Alternative zur Nato und zu den Amerikanern tun.”

Um Einsätze zu beschleunigen, sprach sich Kramp-Karrenbauer für ein Vorgehen nach Artikel 44 des EU-Vertrags aus. Er ermöglicht es der EU, einer Gruppe von Mitgliedstaaten die Ausführung einer Mission zu übertragen.

Zur Frage, ob dies schnellere Einsätze erlaube, äußerte sich der Außenbeauftragte Borrell zurückhaltend. “Nicht alle Mitgliedstaaten müssen teilnehmen, aber alle müssen zustimmen”, sagte er zu der deutschen Idee. Zudem sei der fragliche Artikel 44 bisher “noch nie angewandt worden”.

In Washington traf die Idee einer schnellen Eingreiftruppe auf Zustimmung. “Wir sind nach wie vor der Meinung, dass ein stärkeres und leistungsfähigeres Europa in unserem gemeinsamen Interesse liegt”, sagte Außenamtssprecher Ned Price vor Reportern. Die EU und die NATO sollten sich jedoch abstimmen, um “Doppelarbeit und eine mögliche Verschwendung knapper Ressourcen zu vermeiden”.

Die Debatte um europäische Krisen-Reaktionskräfte ist nicht neu: Seit 2007 hat die EU sogenannte Battlegroups – Kampfgruppen – mit rund 1500 Soldaten als Krisen-Interventionskräfte, die alle sechs Monate wechseln. Sie kamen bisher aber nie zum Einsatz.

Mehrere Mitgliedstaaten kritisierten, es fehle dafür der politische Wille: Der lettische Verteidigungsminister Artis Pabriks beklagte, in Deutschland werde über jeden Militäreinsatz eine gesellschaftliche Debatte geführt. “Allein mit guten Worten lassen sich die Taliban aber nicht überzeugen.” Der luxemburgische Verteidigungsminister François Bausch rief die EU auf, endlich “Nägel mit Köpfen” zu machen.

Ab Donnerstagabend berieten in Slowenien auch die EU-Außenminister über Afghanistan. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) mahnte dabei, weil eine “humanitäre Katastrophe in Afghanistan” drohe, müsse man “mit den Taliban sprechen”. Auch eine diplomatische Präsenz vor Ort sei dafür nötig. Dabei geht es Maas insbesondere um einen Weiterbetrieb des Flughafens von Kabul, um weitere bedrohte Menschen aus dem Land zu holen.

Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg argumentierte, Gespräche mit den Taliban seien nötig, um Terror-Gefahren abzuwenden. “Afghanistan darf nicht zu einem schwarzen Loch der Sicherheitspolitik werden”, betonte er. Der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn stellte klar, es gehe “nicht um eine Anerkennung der Taliban”. Diese wollen offenbar am Freitag ihre neue Regierung vorstellen, wie es aus Kabul hieß. 

Quelle: AFP

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