Wegen der mutmaßlichen Weitergabe von Grundrissen aus dem Bundestag an den russischen Militärgeheimdienst GRU muss sich seit Mittwoch ein 56-Jähriger vor dem Berliner Kammergericht verantworten. Zum Auftakt verlas der Vertreter der Bundesanwaltschaft, Oberstaatsanwalt Frank Stuppi, die Anklage. Der Angeklagte äußerte sich nicht.
Der Mitarbeiter einer für das Parlament tätigen Sicherheitsfirma soll laut Anklage im Jahr 2017 eine CD-ROM mit über 300 Grundrissdateien der vom Bundestag genutzten Liegenschaften in einem Umschlag an den zu dieser Zeit amtierenden Militärattaché – einen GRU-Mitarbeiter – in der russischen Botschaft in Berlin geschickt haben. Die CD-ROM soll in russischer Sprache beschriftet gewesen, der Umschlag ohne Absender versandt worden sein. Die Bundesanwaltschaft klagte den deutschen Staatsbürger Jens F. deshalb wegen sogenannter geheimdienstlicher Agententätigkeit an.
Nach Verlesung der Anklage gab der Vorsitzende Richter bekannt, dass der Senat im Vorfeld eine Verständigung angeboten habe. Dieser zufolge hätte sich das Gericht bei einem Geständnis des Angeklagten eine Bewährungsstrafe zwischen einem Jahr und acht Monaten sowie zwei Jahren vorstellen können. Die Verständigung sei jedoch nicht zustande gekommen. Friedrich Humke, Verteidiger des Angeklagten, sagte daraufhin, er habe seinem Mandaten empfohlen, sich nicht einzulassen.
Verteidiger Humke teilte am Rande des Prozesses mit, dass es keine Beweise dafür gebe, dass sein Mandant die CD mit den Grundrissdateien verschickt habe. Unzählige Menschen hätten Zugang zu diesen Dateien gehabt, diese seien zudem nicht mit einem “Geheim”-Vermerk gekennzeichnet gewesen. Die Anklage ergebe sich aus der Gesamtschau des Lebens seines Mandanten, der in der DDR Offizier bei der Armee gewesen war.
Auch Oberstaatsanwaltschaft Stuppi räumte am Rande der Verhandlung ein, dass andere Menschen Zugriff auf die Pläne gehabt hätten. Die Anklage stütze sich jedoch auf die Auswertung des Wegs, den die versandten Dateien genommen hätten. Bedeutende Indizien seien die Zeitpunkte, wann die Pläne gespeichert wurden, und die Struktur, mit der sie abgespeichert wurden.
Als erster Zeuge sagte am Mittwoch ein Kommissar des Bundeskriminalamts (BKA) aus, der in dem Fall ermittelt hatte. Seiner Aussage zufolge hatte das Bundesamt für Verfassungsschutz Kenntnis von der Postsendung bekommen und dann das BKA benachrichtigt. Zur Frage, wie genau die Verfassungsschützer vom Versand der CD erfahren hatte, wollte er keine Angaben machen.
Das BKA habe zuerst gegen Unbekannt ermittelt. Auf einige Dateien sollen nach Ausführung des Beamten jedoch nur F. und sein Vorgesetzter in der Firma Zugriff gehabt haben. Die Wohnung des Angeklagten liege darüber hinaus im Gebiet der Postfiliale, von welcher der Umschlag mit der CD abgeschickt worden sei. Zudem verfüge er über sehr gute Russischkenntnisse.
Der Fall wird vor einem Staatsschutzsenat des Kammergerichts verhandelt. Zunächst wurden sechs Verhandlungstage bis Ende September angesetzt.
Quelle: AFP