Für die vielen Feuerwehrleute und freiwilligen Helfer auf der griechischen Insel Euböa ist es ein dramatisches Rennen gegen die Zeit: Rund um die Uhr versuchten die Menschen auch am Dienstag wieder verzweifelt, die Kleinstadt Istiea und umgebende Orte vor den verheerenden Waldbränden zu schützen. Bürgermeister Giannis Kotzias sprach von einem erbitterten “Nahkampf” gegen die Flammen, Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis von einer “Naturkatastrophe beispiellosen Ausmaßes”.
Bekleidet nur mit T-Shirts und oft ohne Schutzmasken und Helme kämpften Feuerwehrleute und Helfer die ganze Nacht lang gegen mehrere Feuerfronten im nördlichen Teil von Euböa, der zweitgrößten griechischen Insel. Besonders dramatisch war die Lage rund um Istiea, wo die Flammen in der Nacht das Dorf Avgaria erreichten.
“Das Haus meiner Tante ist abgebrannt und das Haus meines Opas wäre auch fast abgebrannt”, sagte der Dorfbewohner Giannis, der wie viele seiner Nachbarn bei den Löscharbeiten half. Um ein Übergreifen der Flammen auf die Dörfer Kamaria und Kastaniotissa zu verhindern, wurden im Wald Brandschneisen gezogen.
Die Behörden riefen tausende Menschen in Istiea und umliegenden Orten auf, sich in Sicherheit zu bringen. Nicht alle wollten dieser Aufforderung Folge leisten. “Wo wollen sie denn, dass wir hingehen?”, rief eine ältere Frau im Küstenort Asiminio.
Viele Menschen auf Euböa fühlen sich von der Regierung im Stich gelassen. Kommunalpolitiker werfen der Regierung vor, zu spät Löschflugzeuge nach Euböa geschickt zu haben, um erst einen großen Waldbrand nördlich von Athen zu löschen.
Der Bürgermeister von Istiea sagte am Dienstag, der griechische Staat dürfe “niemals vergessen, was im Norden von Euböa geschehen ist”. Der Einsatz von Hubschraubern habe bei den Löscharbeiten “sehr geholfen”, betonte Kotzias. “Wenn wir das von Anfang an gemacht hätten, hätten wir diese Zerstörung verhindern können.” Bei der Brandbekämpfung “wurden Fehler gemacht und wir müssen daraus die Lehren ziehen”, sagte Kotzias. Auch aus der Opposition kam massive Kritik am Krisenmanagement der Regierung.
Ministerpräsident Mitsotakis entschuldigte sich am Montagabend in einer TV-Ansprache bei seinen Landsleuten. “Wir haben getan, was menschenmöglich war, aber in einigen Fällen war das nicht genug.” Die Feuerwehr habe in den vergangenen Tagen gegen 580 Brände kämpfen müssen, die wegen einer “beispiellosen Hitzewelle und einer langanhaltenden Dürre schwer zu löschen” gewesen seien.
“Jedes verlorene Zuhause ist eine Tragödie”, sagte Zivilschutzminister Nikos Hardalias am Dienstag mit zitternder Stimme. “Es ist ein Dolchstoß ins Herz.”
Mittlerweile wurden die Einsatzkräfte auf Euböa verstärkt. Auf der Insel sind nach offiziellen Angaben nun fast 900 Feuerwehrleute im Einsatz, darunter auch Helfer aus anderen Ländern wie der Ukraine, der Slowakei, Serbien und Rumänien. Nach Angaben des Deutschen Feuerwehrverbands sind auch Feuerwehrleute aus Hessen und Nordrhein-Westfalen auf dem Weg nach Griechenland.
Die Brände, die vor acht Tagen im Norden von Euböa ausgebrochen waren, vernichteten schon tausende Hektar Land und etliche Wohnhäuser. Mehr als 3000 Menschen mussten nach Angaben der Küstenwache über das Meer vor den Flammen in Sicherheit gebracht werden.
Auch in anderen Teilen Griechenlands kämpften Einsatzkräfte weiter gegen heftige Brände. Auf der Halbinsel Peloponnes hatte sich am Dienstag zunächst eine Entspannung abgezeichnet – auch dort flammten die Feuer allerdings wieder auf. Bewohner von 20 Dörfern in der Region Gortynia wurden aufgefordert, sich in Sicherheit zu bringen. “Von einem Augenblick auf den nächsten war jede Kontrolle (über die Flammen) verloren”, sagte der Bürgermeister Efstathios Soulis dem Staatssender ERT.
Wie die griechische Polizei am Dienstag mitteilte, wurden 16 Menschen wegen des Verdachts auf Brandstiftung festgenommen. Durch die Waldbrände kamen in Griechenland bisher drei Menschen ums Leben. Auch die benachbarte Türkei hat acht Todesopfer zu beklagen.
Quelle: AFP