Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit einem weiteren Urteil im Abgasskandal Diesel-Klägern den Rücken gestärkt: VW-Dieselfahrer konnten gegebenenfalls noch bis Frühjahr 2020 auf Schadenersatz klagen, denn mit dem vorübergehenden Beitritt zur Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG wurde die Verjährung gehemmt, wie der BGH am Donnerstag entschied. Das gelte selbst dann, wenn der Beitritt zur Musterfeststellungsklage nur mit dem Ziel der Verjährungshemmung geschah. (Az: VI ZR 1118/20)
Der Kläger hatte im September 2013 einen gebrauchten VW Tiguan gekauft. Dort war der Dieselmotor EA 189 verbaut, der von einer Software mit unzulässiger Abschaltvorrichtung gesteuert wurde. Nur auf dem Prüfstand war so die volle Abgasreinigung zugeschaltet, im normalen Fahrbetrieb nicht.
Um wegen der Abgasmanipulationen Schadenersatz zu bekommen, hatte sich der Tiguan-Fahrer 2018 zunächst der Musterfeststellungsklage gegen die Volkswagen AG angeschlossen. Er meldete sich dort aber wieder ab und reichte 2019 eine eigene Klage ein.
Volkswagen meinte, die Verjährungsfrist sei abgelaufen. Weil die Abgasmanipulationen durch VW im Herbst 2015 öffentlich wurden, sei die reguläre Verjährungsfrist von drei Kalenderjahren in der Regel Ende 2018 abgelaufen. Dem widersprach der Kläger unter Hinweis auf die Musterfeststellungsklage. Dort registrierte VW-Kunden konnten bis Ende April 2020 entscheiden, ob sie das dortige Vergleichsangebot von VW annehmen. Bis dahin oder bis zur Abmeldung von dem Verfahren sei die Verjährung gehemmt gewesen, argumentierte der Kläger.
Der BGH gab dem VW-Diesel-Fahrer recht: Die Verjährung war durch den Beitritt zur Musterfeststellungsklage gehemmt. Dem stehe nicht entgegen, dass hier der Kläger offenbar nur deswegen beigetreten war, um die Verjährung zu erreichen. Dass dieser Beitritt erst 2019 geschah, sei ebenfalls kein Hindernis. Denn die Verjährungshemmung trete rechtlich dennoch zu dem Zeitpunkt ein, an dem die Musterfeststellungsklage eingereicht wurde, hier also am 1. November 2018.
Weiter betonte der BGH, dass die Instanzgerichte nicht automatisch von einer Verjährung Ende 2018 ausgehen dürfen. Maßgeblich sei, wann der VW-Kunde von den Abgasmanipulationen erfahren hat. Wegen der breiten Medienberichterstattung sei es zwar naheliegend, dass dies bereits im Herbst 2015 der Fall war, Gerichte müssten dies aber in jedem Einzelfall ausdrücklich feststellen. Nach diesen Maßgaben muss nun das Oberlandesgericht Naumburg in Sachsen-Anhalt neu über den Streit entscheiden.
Quelle: AFP