Die Vereinten Nationen haben angesichts der jüngsten Offensiven der radikalislamischen Taliban in Afghanistan vor einem deutlichen Anstieg der zivilen Opfer gewarnt. In einem am Montag veröffentlichten Bericht erklärte die UN-Hilfsmission für Afghanistan (Unama), sie rechne damit, dass die Zahl der zivilen Opfer in diesem Jahr den höchsten Stand seit Beginn der Aufzeichnungen vor über einem Jahrzehnt erreiche. Parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der Nato-Truppen aus Afghanistan hat die Gewalt im Land stark zugenommen.
“Eine noch nie dagewesene Anzahl an afghanischen Zivilisten wird in diesem Jahr getötet und verletzt werden, wenn die zunehmende Gewalt nicht eingedämmt wird”, warnte Unama-Leiterin Deborah Lyons. Sie appellierte an die Taliban und die afghanische Regierung, “die düstere und beängstigende Entwicklung des Konflikts und seine verheerenden Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung” zu beenden.
Für ein Viertel aller Opfer in der Zivilbevölkerung können demnach afghanische Truppen und regierungsnahe Kräfte verantwortlich gemacht werden. Den Taliban können laut Bericht gut 40 Prozent aller zivilen Opfer zugeschrieben werden, neun Prozent gehen auf das Konto der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat.
In der ersten Hälfte des Jahres 2021 wurden laut Unama rund 1660 Zivilisten getötet und 3250 verletzt – ein Anstieg von 47 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Die Zunahme an zivilen Opfern war im Mai und Juni, als die Taliban ihre weitreichenden Offensiven starteten, laut Bericht besonders stark. Fast die Hälfte aller zivilen Opfer seien Frauen und Kinder.
Die Taliban haben parallel zum rasch fortschreitenden Abzug der US- und anderer Nato-Truppen in den vergangenen Monaten große Teile des Landes erobert. Mittlerweile kontrollieren sie rund die Hälfte der etwa 400 Bezirke Afghanistans. Beobachter befürchten, dass die Radikalislamisten nach dem vollständigen Abzug der internationalen Truppen wieder die Macht in Afghanistan übernehmen könnten. Die Friedensverhandlungen zwischen den Taliban und der afghanischen Regierung in Doha sind seit Monaten festgefahren.
Quelle: AFP