Der Klimawandel hat einer neuen Studie zufolge in den vergangenen 170 Jahren zu einer dramatischen Veränderung in der Schweizer Alpenlandschaft geführt. Seit dem Ende der Kleinen Eiszeit Mitte des 19. Jahrhunderts seien fast 1200 Seen in ehemals vergletscherten Regionen entstanden, heißt es in einem am Montag vom schweizerischen Wasserforschungsinstituts Eawag veröffentlichten Inventar aller Schweizer Gletscherseen.
Heute existieren den Forschern zufolge noch knapp tausend der seit 1850 entstandenen Gletscherseen. “Wir waren überrascht von der schieren Anzahl einerseits und der deutlich beschleunigten Bildung andererseits”, erklärte der Leiter der Gruppe Fernerkundung des Eawag, Daniel Odermatt. Zu Beginn ihrer Forschungen hätten er und seine Kollegen mit “wenigen hundert Gletscherseen” gerechnet.
Der Klimawandel beschleunigt die Gletscherschmelze in den Alpen. Dies wiederum kann zur Bildung von Bergseen führen.
Laut einer Studie der Schweizer Akademie der Wissenschaften verloren die Gletscher in den Schweizer Alpen allein im vergangenen Jahr zwei Prozent ihrer Masse. Selbst eine vollständige Umsetzung der Pariser Klimaziele von 2015 würde nach Einschätzung von Forschern der ETH Zürich die Gletscherschmelze nur bedingt aufhalten: Bei einer Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs auf zwei Grad würden demnach trotzdem zwei Drittel aller alpinen Gletscher verschwinden.
Dem Eawag-Inventar zufolge bildeten sich allein im vergangenen Jahrzehnt 180 neue Gletscherseen in den Schweizer Alpen. Einen ersten Höhepunkt erreichte die Gletscherseebildung demnach zwischen 1946 und 1973. Im Mittel entstanden in diesem Zeitraum pro Jahr fast acht Seen.
Nach einem zeitweisen Rückgang nahm die Geschwindigkeit, in der sich neue Seen bilden, laut der Studie ab 2006 deutlich zu: Im auf dieses Jahr folgenden Jahrzehnt seien im Schnitt jährlich 18 Seen entstanden, die Wasserfläche sei jährlich um mehr als 400 Quadratmeter gewachsen – aus Sicht der Forscher “ein sichtbarer Beweis für den Klimawandel in den Alpen”.
Die in dem Gletschersee-Inventar aufgeführten Daten können den Forschern zufolge helfen, das Gefahrenpotenzial der Gewässer besser einzuschätzen, etwa das Risiko einer plötzlichen Entleerung des Sees bei einem Dammbruch. Denn das Risiko solcher plötzlicher Ausbrüche und somit die Gefahr von Flutwellen für die unterhalb liegenden Siedlungen steige mit der zunehmenden Zahl an Gletscherseen, betonen die Wissenschaftler.
Quelle: AFP