Die Bilanz der Unwetterkatastrophe in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz fällt immer dramatischer aus: Bis Donnerstagabend zählten die Behörden insgesamt 59 Todesopfer. Zahlreiche Menschen galten zudem noch als vermisst, was aber wohl auch mit den unterbrochenen Strom- und Telekommunikationsverbindungen zusammenhing. Mehrere Kreise in der Eifel riefen Katastrophenalarm aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stellte Hilfen des Bundes in Aussicht.
Im besonders schlimm heimgesuchten Kreis Bad Neuenahr-Ahrweiler im nördlichen Rheinland-Pfalz stieg die Zahl der Todesopfer auf mindestens 28. Nach Angaben von Landesinnenminister Roger Lewentz (SPD) wurden dort zuletzt neun weitere Leichen geborgen. Bei ihnen handelte es sich offenbar um Bewohner einer Behinderteneinrichtung in Sinzig. Die Menschen hätten sich nicht retten können, als der Pegel der Ahr in der Vornacht dramatisch anstieg, berichtete das Nachrichtenportal “t-online”.
Das Ahrtal galt als von der Außenwelt abgeschnitten. Die Gegend sei über keine Zufahrtsstraße mehr zu erreichen, teilte die Polizei mit. Die Zahl der als vermisst geltenden Menschen in Bad Neuenahr-Ahrweiler wurde von der Kreisverwaltung am Donnerstagabend mit rund 1300 angegeben. Die hohe Zahl hing aber offenbar damit zusammen, dass viele Menschen telefonisch nicht erreichbar waren.
Schlimm heimgesucht wurde auch der Kreis Euskirchen in Nordrhein-Westfalen. Dort kamen nach Angaben der Polizei vom Donnerstagabend mindestens 20 Menschen ums Leben. Insgesamt lag die Zahl der Todesopfer in NRW bei 31.
Es handelt sich um eine größten Unwetterkatastrophen der Nachkriegszeit in Deutschland. Obwohl die Rettungsmaßnahmen noch voll im Gange waren, lag die Zahl der Toten bereits deutlich mehr als doppelt so hoch wie beim sogenannten Jahrhunderthochwasser des Jahres 2002, bei dem in Deutschland 21 Menschen starben. Wegen der Katastrophe sollen die Flaggen an öffentlichen Gebäuden in Rheinland-Pfalz am Freitag auf Halbmast hängen.
Das ganze Ausmaß der Schäden war weiterhin nicht überschaubar. In Nordrhein-Westfalen lief am Donnerstagabend um kurz vor Mitternacht die Rurtalsperre über, wie der Wasserverband Eifel-Rur (WVER) mitteilte. Deshalb war mit weiteren Überschwemmungen am Unterlauf der Rur zu rechnen.
Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) begann mit der Anfertigung von Satellitenbilder der Überschwemmungsgebiete. Die Aufnahmen sollen den Behörden bei der Katastrophenbekämpfung helfen. “Auf Anfrage der Länder Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen hat das BBK den Copernicus-Dienst für Katastrophen- und Krisenmanagement ausgelöst”, sagte Vizepräsident Thomas Herzog dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Copernicus ist das europäische Erdbeobachtungsprogramm.
Von der Katastrophe heimgesucht wurden auch Teile Belgiens, Luxemburgs und der Niederlande. In Belgien kamen nach Angaben der Behörden mindestens neun Menschen ums Leben. in der niederländischen Provinz Limburg riefen die Behörde tausende Menschen auf, ihre Wohnungen und Häuser zu verlassen. Sie waren durch den steigenden Pegel des Flusses Maas bedroht.
Kanzlerin Merkel sagte während eines Besuchs in Washington zur Lage in den Überschwemmungsgebieten: Wo der Bund helfen könne, “werden wir das tun”. Sie zeigte sich geschockt von dem Desaster: “Das Leid der Betroffenen geht mir sehr nahe.” Merkel richtete den Hinterbliebenen der Opfer ihr Beileid und den Einsatzkräften ihren Dank aus. “Ich fürchte, das ganze Ausmaß der Tragödie werden wir erst in den nächsten Tagen sehen”, fügte sie hinzu.
US-Präsident Joe Biden sprach bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel Deutschland seine “aufrichtige Anteilnahme” aus. Er sprach von einer “Tragödie” und betonte: “Unsere Herzen sind bei den Familien, die geliebte Menschen verloren haben.”
Quelle: AFP