Mehr als 440.000 Menschen christlichen Glaubens haben im vergangenen Jahr in Deutschland der Kirche den Rücken gekehrt. Das geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Statistiken der katholischen Deutschen Bischofskonferenz (DBK) in Bonn und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Hannover hervor. Demnach blieb die Zahl der Kirchenaustritte sowohl bei den Katholiken als auch bei den Protestanten auf hohem Niveau, ging aber zurück.
Den Statistiken zufolge verzeichneten Katholiken und Protestanten jeweils rund 221.000 beziehungsweise 220.000 Austritte. Gemeinsam machten die Anhänger beider Kirchen 51 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.
Nach DBK-Angaben sank die Zahl der Austritte im Vergleich zum Vorjahr um 18,8 Prozent. Damals hatten fast 273.000 Katholiken ihrer Kirche den Rücken gekehrt. Der Anteil der Gottesdienstbesucher sei coronabedingt von 9,1 Prozent der Katholiken auf 5,9 Prozent zurückgegangen.
Der DBK-Vorsitzende Georg Bätzing bezeichnete die Kirchenstatistik als “ein Spiegelbild dessen, wie sich die Corona-Pandemie auf das Leben in unseren Gemeinden auswirkt”. Taufen, Kommunionsfeiern und Hochzeiten seien verschoben worden. Gleichzeitig erlebe die Kirche eine “tiefgreifende Erschütterung”: “Viele haben das Vertrauen verloren und möchten mit dem Kirchenaustritt ein Zeichen setzen”, erklärte Bätzing.
In den evangelischen Landeskirchen ging die Zahl der Kirchenaustritte um 18 Prozent zurück. Im Vergleich zum Vorjahr registrierten die Protestanten zudem nur noch halb so viele Taufen. Die Kirchensteuereinnahmen sanken laut EKD um 5,4 Prozent auf 5,63 Milliarden Euro.
“Jeder Kirchenaustritt bekümmert mich und lässt mich fragen, was wir als Kirche tun können, um Menschen vom guten Sinn der Mitgliedschaft in unserer Kirche zu überzeugen”, erklärte der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm. Eine Onlineumfrage zu den Beweggründen für Austritte soll im Herbst vorgestellt werden.
Sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche standen im vergangenen Jahr wegen der stockenden Aufarbeitung von Missbrauchsskandalen in der Kritik. Etwa im Erzbistum Köln führte der Umgang mit Missbrauchsfällen zu einer Welle von Kirchenaustritten.
Quelle: AFP