Ende des Verbrennungsmotors, Kerosinsteuer, mehr Emissionshandel – die EU-Kommission hat ihr Gesetzespaket für den tiefgreifenden Wandel der Wirtschaft zum Schutz vor den Folgen des Klimawandels vorgestellt. “Der Ausstoß von CO2 muss einen Preis haben”, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Mittwoch in Brüssel. Ihre Behörde habe sich daher “für eine Kohlenstoffbepreisung als klares marktbasiertes Leitinstrument mit sozialem Ausgleich entschieden”.
Auch der Seetransport, Straßenverkehr und Gebäudesektor sollen den Plänen zufolge bald dem Handel mit Verschmutzungsrechten unterliegen. Importeure von Stahl, Aluminium, Zement und Düngemittel sollen ebenfalls CO2-Zertifikate entsprechend der Klimaschädlichkeit ihrer Einfuhren kaufen müssen.
Durch Erhebung dieser Grenzabgabe ab 2026 will die Kommission Drittstaaten zum Umbau ihrer Industrien bewegen. Außerdem soll so eine Abwanderung von CO2-intensiven Industriezweigen verhindert werden.
Für Verbraucher ist das Projekt eines separaten Emissionshandels für die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude besonders von Bedeutung. Anbieter von Benzin und Heizöl sollen laut EU-Kommission auf diesem Parallelmarkt voraussichtlich ab 2026 Zertifikate kaufen müssen. Heiz- und Spritkosten dürften dadurch steigen. Wegen der geplanten Einführung einer Kerosinsteuer dürften auch Flugtickets teurer werden.
Wegen derlei Auswirkungen und auch wegen des geplanten faktischen Verkaufsverbots für Neuwagen mit Verbrennungsmotoren ab 2035 rechnet der für die Klimapolitik zuständige EU-Kommissionsvizepräsident Frans Timmermans mit “massivem Widerstand” gegen die Pläne, “wenn wir es nicht schaffen, zu überzeugen”. “Nichts was wir heute vorgestellt haben, wird leicht sein”, sagte der Niederländer.
Die Kommission will mit ihrem “Fit for 55” betitelten Gesetzespaket für eine erhebliche Reduzierung des Treibhausgas-Ausstoßes sorgen und so ihr Klimaziel erreichen, bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgas im Vergleich zu 1990 auszustoßen. Die insgesamt zwölf Gesetzesvorschläge werden nun im Kreis der Mitgliedstaaten und im EU-Parlament diskutiert. Die Beratungen könnten Jahre dauern.
Ein Kommissionsvertreter unterstrich bereits die “Ganzheitlichkeit” des Paktes: “Es kann nicht ein Teil ersatzlos gestrichen werden.” Das würde das EU-Klimaziel in Gefahr bringen. Aus Diplomatenkreisen hieß es dazu, lediglich der neue Emissionshandel für die Bereiche Straßenverkehr und Gebäude könnte theoretisch fallen gelassen werden, “ohne dass das Paket in sich zusammenfällt”.
Einzelne Teile des Klimapakets stehen allerdings bereits unter Beschuss betroffener Interessensgruppen. Airline-Verbände forderten statt höherer Kosten für das Fliegen mehr Forschung für emissionsarme Flugzeuge. Der europäische Industrieverband BusnessEurope verwies darauf, dass die Industrie in den vergangenen Jahren bereits deutlich klimaverträglicher geworden sei.
Umweltschützer hingegen gehen die angekündigten Maßnahmen nicht weit genug. Greenpeace bezeichnete das Gesetzespaket als “ungeeignet”, um die Klimakrise zu beenden. Deutlich größere CO2-Einsparungen seien nötig.
Im EU-Parlament, dessen Vertreter die Ankündigungen im Allgemeinen begrüßten, sehen viele die Ausweitung des Emissionshandel auf den Straßenverkehr und den Gebäudesektor kritisch. EU-weit große Unterschiede in der Kaufkraft könnten zu einer übermäßigen Belastung von Verbrauchern mit niedrigem Einkommen und besonders in ärmeren Ländern führen, lautet die Sorge.
Auch der deutsche Naturschutzring warnte vor derlei sozialen Auswirkungen. Die Kommission will hier zwar mit einem Sozialfonds im Umfang von 70 Milliarden Euro entgegensteuern. Besonders ärmere Länder sollen mit dem Geld etwa den Zugang zu neuen, sauberen Fahrzeugen, zum Öffentlichen Nahverkehr und Gebäuderenovierungen finanzieren. Dies sei aber “bei weitem nicht ausreichend”.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) begrüßte die Ankündigungen als “umfassendes Maßnahmenpaket, das zu unseren großen Zielen passt”. Es gehe “um nichts weniger als eine neue industrielle Revolution, angeführt von der Europäischen Union”.
Quelle: AFP