Schon wieder Dutzende Tote, schon wieder waren die Opfer zumeist Covid-Patienten und schon wieder sollen explodierende Sauerstoffflaschen die Ursache gewesen sein: Rund zweieinhalb Monate nach der Brandkatastrophe in einem Bagdader Krankenhaus sind bei einem verheerenden Feuer auf der Corona-Station einer Klinik in Nasirija mindestens 64 Menschen ums Leben gekommen. In der südirakischen Stadt herrschte am Dienstag neben Trauer auch große Wut.
Der Brand war am Montagabend auf der Covid-Station des Al-Hussein-Krankenhauses ausgebrochen und hatte sich rasend schnell ausgebreitet. Bis Dienstag wurden nach Angaben von Gerichtsmedizinern 64 Leichen geborgen, weitere Opfer wurden noch unter den Trümmern vermutet. Rund hundert Menschen wurden verletzt.
Viele der Toten waren bis zur Unkenntlichkeit verkohlt. Bis Dienstag konnten erst 39 Leichen identifiziert und ihren Angehörigen übergeben werden.
Die Covid-Einheit war erst vor wenigen Monaten als Fertigbau neben dem Krankenhaus errichtet worden. Der Bau wurde von den Flammen komplett verwüstet. Bis spät in der Nacht spielten sich dort dramatische Szenen ab: Inmitten der Löscharbeiten der Feuerwehr versuchten Anwohner, Patienten aus dem brennenden Gebäude zu retten.
Ein im Internet veröffentlichtes Video zeigt einen verzweifelt schluchzenden Polizisten, der gerade vom Tod zweier Verwandter erfahren hatte. Laut einem AFP-Korrespondenten starben auch mehrere Verwandte von Covid-Patienten, die sich gerade zu Besuch in der Station aufgehalten hatten. Unter ihnen waren demnach sechs Geschwister einer einzigen Familie.
Ausgelöst wurde das Feuer von explodierenden Sauerstoffflaschen, wie Ärzte und Sanitäter berichteten. Für die Menschen war es wie ein Déjà-vu: Bereits der verheerende Brand auf der Covid-Intensivstation eines Krankenhauses in Bagdad im April soll durch die Explosion falsch gelagerter Sauerstoffflaschen ausgelöst worden sein.
Der neuerliche Brand in Nasirija sorgte sofort für wütende Reaktionen. Noch in der Nacht demonstrierten hunderte Menschen vor dem Krankenhaus und machten die politischen Parteien für die neuerliche Katastrophe verantwortlich. In den Online-Netzwerken forderten zahlreiche Nutzer den Rücktritt von ranghohen Politikern. Der Chef der regionalen Gesundheitsbehörde und der Leiter des Krankenhauses wurden suspendiert und von der Polizei befragt.
Am Dienstag blockierten Anwohner dann die Eingänge mehrerer privater Krankenhäuser. Sie forderten die Verlegung der Patienten in ein von der Türkei gebautes brandneues öffentliches Krankenhaus. Ministerpräsident Mustafa al-Kadhemi hatte das 400-Betten-Haus im vergangenen Monat eingeweiht – doch bis heute ist es ungenutzt.
Nach jahrzehntelangen Konflikten und auch wegen der weitverbreiteten Korruption im Land sind die Krankenhäuser im Irak schlecht ausgestattet. Es fehlt an Betten und Medikamenten, oftmals werden die Sicherheitsvorschriften missachtet.
Nach dem Brand in dem Bagdader Hospital hatte sich unter anderem herausgestellt, dass es über kein Brandschutzsystem verfügte und Notausgänge fehlten. Daraufhin musste der damalige Gesundheitsminister Hassan al-Tamimi zurücktreten.
Iraks Präsident Barham Saleh machte auf Twitter ebenfalls die “anhaltende Korruption und Misswirtschaft” für die neuerliche “Katastrophe” verantwortlich. Regierungschef al-Kadhemi ordnete eine dreitägige Staatstrauer an.
Doch die Menschen lassen sich offenbar nicht mehr so schnell besänftigen. “Wieder einmal haben die Politiker ihre Unfähigkeit zur Führung unseres Lands bewiesen. Wir durchleben eine Tragödie nach der anderen, und die Lage wird von Tag zu Tag schlimmer”, sagte Jasser al-Barrak von der Universität der Provinz Dhi Kar.
Quelle: AFP