Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat Politik und Gesellschaft zu einem entschlosseneren Vorgehen gegen die Diskriminierung von Sinti und Roma aufgerufen. Der “Kampf gegen den Antiziganismus” sei eine “Aufgabe von hoher politischer Priorität”, sagte Seehofer am Dienstag bei der Vorstellung des Abschlussgutachtens einer von der Bundesregierung eingesetzten Expertenkommission zu dem Thema.
Seehofer sprach sich dabei für die Einsetzung eines Beauftragten gegen Antiziganismus und für den Abschluss eines Staatsvertrags zwischen der Bundesregierung und dem Zentralrat der Sinti und Roma aus. Damit machte sich der Minister wichtige Forderungen der Expertenkommission zu eigen, die in mehrjähriger Arbeit einen gut 800 Seiten umfassenden Bericht zur Diskriminierung von Sinti und Roma in Deutschland ausgearbeitet hat.
Der Vorsitzende des Zentralrats, Romani Rose, wies bei der Pressekonferenz mit Seehofer auf anhaltend großen Handlungsbedarf hin. “Ein Bewusstsein für die massive Diskriminierung von Sinti und Roma in allen Lebensbereichen fehlt fast vollständig”, sagte er. “Antiziganismus gilt als Normalität.”
Romani machte dabei eine klare Unterscheidung zwischen Regierung und Gesellschaft: Die Politik sei der Gesellschaft voraus. In ihrem Verhalten gegenüber Sinti und Roma “gilt die Bundesregierung international aus unserer Sicht als beispielhaft”, sagte er. “Auf der politischen Ebene ist sehr viel Positives passiert, das für mich vor 30, 40 Jahren unvorstellbar gewesen ist.”
In der Gesellschaft allerdings seien Vorurteile gegen Sinti und Roma noch weit verbreitet: “Was wir noch nicht erreicht haben, ist die Gesellschaft”, klagte Rose. Hier gebe es noch viel zu tun.
Rose kritisierte, dass Sinti und Roma auch in der Bundesrepublik lange Zeit “systematisch kriminalisiert” und “systematisch ausgegrenzt” worden seien – etwa auch von den Polizeibehörden. Dabei blickten die aktuell rund 60.000 bis 70.000 Sinti und Roma hierzulande auf eine 600-jährige Geschichte in Deutschland zurück.
“In erster Linie sind wir Deutsche”, sagte er. Ziel eines künftigen Staatsvertrags mit der Bundesregierung müsse sein, dass diese sich “zu Sinti und Roma als fester Teil der deutschen Gesellschaft bekennt”. Sie müsse eine “gleichberechtigte Teilhabe endlich zusichern und verwirklichen”.
Seehofer betonte, dass er persönlich “zu den allermeisten Forderungen der Kommission hohe Sympathie” habe. Diese Sympathie herrsche allerdings nicht in der gesamten Bundesregierung vor, schränkte er ein. So gebe es dort Widerstand gegen die Ernennung eines Bundesbeauftragten gegen Antiziganismus – Teile der Bundesregierung wollten diesen Bereich dem künftigen Beauftragten gegen Rassismus zuschlagen. Auch die Aushandlung eines Staatsvertrags dürfte am Anfang “sehr schwierig” werden, sagte Seehofer.
Der Minister wies darauf hin, dass er nach der Bundestagswahl sein Amt abgeben werde. “Ich werde aber bei der Amtsübergabe diesen Aspekt meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger sehr ans Herz legen”, sagte Seehofer mit Blick auf einen Staatsvertrag. “Ich werde auch im Ruhestand versuchen, meinen Beitrag zu liefern.”
Generell müsse dem Schutz von Minderheiten mehr Priorität eingeräumt werden, sagte der Minister. “Unsere Gesellschaft ist bunter geworden”, sagte er. “Deswegen ist eine der zentralsten politischen Herausforderungen: Wie können wir Minderheiten noch stärker schützen in unserem Lande?” Diese Frage sei im Bereich des Innenministeriums inzwischen “neben dem Schutz der Bevölkerung der wichtigste Bereich”.
Quelle: AFP