Zur Rettung des Klimas reicht es nicht, den CO2-Ausstoß zu reduzieren – langfristig muss das Treibhausgas der Atmosphäre entzogen werden. Das ist die Empfehlung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WBGU), die am Dienstag in Berlin vorgestellt wurde. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) will entsprechende Technologien fördern. Der Beirat riet außerdem dazu, die Programme für die Zeit nach der Corona-Pandemie stärker am Klimaschutz auszurichten.
Notwendig sind nach Überzeugung des WBGU Langfriststrategien, die über das Erreichen von Klimaneutralität hinausgehen. Um eine Stabilisierung des Klimas zu erreichen, müsse bereits jetzt die Entfernung von CO2 aus der Atmosphäre strategisch vorbereitet werden, forderte die WBGU-Ko-Chefin Karen Pittel. Der Mensch müsse der Atmosphäre künftig mehr CO2 entnehmen, als er ihre hinzufügt.
“Das gilt insbesondere, wenn der Ausstieg aus den fossilen Energieträgern nicht hinreichend schnell erfolgt”, fügte Pittel hinzu. Sie räumte zugleich ein, dass Risiken und Nebenwirkungen entsprechender Verfahren noch nicht ausreichend erforscht seien. Die Klimapolitik solle sich aber die Möglichkeit entsprechender Verfahren offenhalten.
Bundesforschungsministerin Karliczek bezeichnete die CO2-Entnahme aus der Atmosphäre eine “echte Herausforderung”. Die Erforschung entsprechender Technologien, die erst in Jahrzehnten einsatzbereit seien, müsse oberste Priorität haben und ohne “ideologische Scheuklappen” vorangebracht werden. Zur CO2-Entfernung können Wälder, Moore und Ozeane eingesetzt werden, es gibt aber auch Methoden wie die CO2-Abscheidung und unterirdische Einlagerung.
Beim UN-Klimagipfel in Glasgow müssten sich die Staaten dazu bekennen, dass sie ihre Covid-19-Stimulus-Programme so einsetzen, dass dabei die langfristige Klimastabilisierung mitgedacht und gefördert werde, forderte Pittel weiter. Der Gipfel findet im November im schottischen Glasgow statt.
Bislang seien die Staaten nur dazu verpflichtet, kurzfristige nationale Beiträge zum Klimaschutz vorzulegen, heißt es in dem Positionspapier des Beirats, das an Karliczek und Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth übergeben wurde. Die Beiträge müssten deutlich ambitionierter werden, schon heute müsse einen Pfad eingeschlagen werden, mit dem die Ziele des Pariser Übereinkommens erreicht werden können.
Daher ist es aus Sicht des WBGU notwendig, auch die Erstellung von Langfriststrategien verpflichtend vorzuschreiben. Sie sollten über Klimaneutralität hinaus auf globale Klimastabilisierung ausgerichtet werden. Langfriststrategien sollten den schnellen und vollständigen Ausstieg aus der Nutzung fossiler Energieträger sowie den Schutz und die Wiederherstellung von Ökosystemen vorsehen und deren nachhaltige Nutzung anstreben.
Eine Klimastabilisierung kann dem Beirat zufolge durch die dauerhafte Begrenzung der globalen Erwärmung möglichst auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau erreicht werden. Aufgrund ihrer historischen Verantwortung seien hier vor allem die Industrieländer in der Pflicht. Viele Staaten, darunter Deutschland, zielten mit ihren nationalen Langfriststrategien bisher lediglich auf Klimaneutralität ab.
Der WBGU wurde 1992 im Vorfeld der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro von der Bundesregierung als unabhängiges wissenschaftliches Beratergremium eingerichtet. Er hat die Aufgabe, globale Umwelt- und Entwicklungsprobleme zu analysieren und zur Lösung dieser Probleme Handlungs- und Forschungsempfehlungen zu erarbeiten.
Quelle: AFP