Die USA und ihre Nato-Verbündeten haben ihre verbliebenen Soldaten vom größten Militärstützpunkt Bagram in Afghanistan abgezogen – damit steht das Ende des Einsatzes der internationalen Truppen am Hindukusch nach zwei Jahrzehnten unmittelbar bevor.” Alle Streitkräfte der Koalition haben Bagram verlassen”, sagte ein US-Verteidigungsbeamter am Freitag der Nachrichtenagentur AFP. Die radikalislamischen Taliban begrüßten den Abzug aus Bagram, das nur 50 Kilometer entfernt von der Hauptstadt Kabul liegt.
Den genauen Zeitpunkt des Abzugs von der Basis teilte der US-Vertreter, der anonym bleiben wollte, nicht mit. Auch zum Zeitpunkt der offiziellen Übergabe des Stützpunkts an die afghanischen Sicherheitskräfte äußerte er sich nicht. Die Regierungsbehörden seien “voll vorbereitet”, den Stützpunkt zu übernehmen, erklärte jedoch der Sprecher des afghanischen Verteidigungsministeriums, Rohullah Ahmadsai.
Bagram ist die größte Militärbasis der USA und der Nato in Afghanistan. Auf dem Stützpunkt, der als Dreh- und Angelpunkt für den US-Einsatz in Afghanistan diente, waren zeitweise bis zu 30.000 Truppen stationiert. Auf dem Gelände befindet sich außerdem ein Gefängnis, in dem Taliban-Kämpfer und islamistische Extremisten festgehalten wurden.
Die radikalislamischen Taliban begrüßten den Abzug von der Militärbasis in Bagram. Taliban-Sprecher Sabihullah Mudschahid sagte der Nachrichtenagentur AFP, der vollständige Abzug der internationalen Truppen werde “den Weg dafür ebnen, dass die Afghanen selbst über ihre Zukunft entscheiden können”.
US-Präsident Joe Biden hat angekündigt, bis spätestens zum 11. September – dem 20. Jahrestag der Terroranschläge in den USA – alle Truppen aus Afghanistan abzuziehen. Die Anschläge von 9/11 waren der Auslöser der US-Militärinvasion in Afghanistan. Auch der 4. Juli, der US-Nationalfeiertag, wurde als Abzugsdatum erwogen – auf diesen scheint jetzt vieles hinzudeuten.
Mit dem Truppenabzug begannen die USA und ihre Nato-Verbündeten Ende April. Mehrere Militärstützpunkte wurden bereits an die afghanische Armee übergeben. Medienberichten zufolge wird das Pentagon etwa 600 US-Soldaten in Afghanistan behalten, um das US-Botschaftsgelände in Kabul abzusichern. Die Bundeswehr hatte das Land am Hindukusch bereits am Dienstag verlassen und damit den längsten Auslandseinsatz ihrer Geschichte beendet.
Die Gewalt in Afghanistan hat in den vergangenen Wochen jedoch stark zugenommen. Die Friedensgespräche zwischen den radikalislamischen Taliban und der afghanischen Regierung kommen nicht voran. Beobachter warnen, dass sich die Sicherheitslage in dem Land nach dem vollständigen Abzug der Nato-Truppen noch verschlechtern könnte.
Zuletzt war den Taliban in mehreren Offensiven die Eroberung von Landesteilen gelungen. Die Fähigkeit der afghanischen Streitkräfte, die Kontrolle über den Luftwaffenstützpunkt Bagram zu behalten, wird sich wohl als entscheidend für die Aufrechterhaltung der Sicherheit in Kabul und den Druck auf die Taliban erweisen.
Der Abzug der ausländischen Truppen vom Stützpunkt Bagram “symbolisiert, dass Afghanistan allein und verlassen ist und sich selbst gegen den Ansturm der Taliban verteidigen muss”, sagte der in Australien lebende Afghanistan-Experte Nishank Motwani. “Nach ihrer Rückkehr nach Hause werden die Amerikaner und ihre verbündeten Streitkräfte nun aus der Ferne zusehen, wie das niederbrennt, wofür sie 20 Jahre lang so hart gekämpft haben.”
Quelle: AFP