Amnesty nennt Austritt der Türkei aus Istanbul-Konvention "gefährlich"

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Der am Donnerstag in Kraft getretene Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention setzt nach Einschätzung von Amnesty International Millionen von Frauen und Mädchen in dem Land einem erhöhten Risiko von Gewalt aus. “Die Türkei hat die Uhr für Frauenrechte um zehn Jahre zurückgestellt und einen erschreckenden Präzedenzfall geschaffen”, erklärte die Generalsekretärin der Menschenrechtsorganisation, Agnès Callamard.

Der Austritt aus der internationalen Konvention gegen Gewalt an Frauen sende eine “gefährliche Botschaft an die Täter, die missbrauchen, verstümmeln und töten: Sie können dies ungestraft tun”, warnte Callamard. Nach ihren Worten wird diese türkische Entscheidung “in die Geschichte eingehen – erstmals tritt ein Mitglied des Europarats aus einer internationalen Menschenrechtskonvention aus”.

Der türkische Präsident Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte den Austritt aus der Konvention im März per Dekret verfügt, dieser wurde nun zum 1. Juli wirksam. In den vergangenen Monaten hatte es immer wieder Demonstrationen von Frauen dagegen gegeben. Am Donnerstag waren vielerorts in der Türkei Proteste geplant. Eine große Kundgebung in Istanbul sollte um 18.00 Uhr starten (19.00 Uhr Ortszeit).

Erdogan kam mit dem Austritt konservativen und islamistischen Kreisen entgegen. Diese hatten den Schritt mit der Begründung gefordert, die Konvention schade der Einheit der Familie und fördere Scheidungen sowie Homosexualität. Das höchste Verwaltungsgericht der Türkei wies am Dienstag einen Antrag auf Annullierung des Austritts zurück. Erdogan habe die “Autorität”, diese Entscheidung zu treffen, erklärten die Richter.

Beobachter sehen im Austritt der Türkei aus der Istanbul-Konvention sowie etwa auch im behördlichen Vorgehen gegen Pride-Märsche ein klares Zeichen für eine schleichende Islamisierung der Türkei unter Erdogan. Menschenrechtsgruppen prangern zugleich regelmäßig die hohe Zahl von Morden an Frauen in dem Land an. Nach Angaben der Organisation We Will Stop Femicide wurden im vergangenen Jahr 300 Frauen in der Türkei ermordet, in diesem Jahr sind es bislang 189.

Die Grünen-Politikerinnen Claudia Roth und Ulle Schauws forderten angesichts des “autokratischen Umbaus der Türkei” einen Kurswechsel der Bundesregierung und der EU gegenüber der Regierung in Ankara. Brüssel und Berlin müssten die Verletzungen von Bürger- und Menschenrechten “endlich zielführend sanktionieren”. Durch die “Hinnahme von Ankaras Innen- wie Außenpolitik (führen sie) die eigenen menschenrechtlichen Prämissen ad absurdum”.

Die Istanbul-Konvention des Europarats ist das weltweit erste verbindliche Abkommen dieser Art. Sie verlangt von den Unterzeichnerstaaten, dass sie Maßnahmen gegen häusliche Gewalt und Vergewaltigung in der Ehe sowie gegen weibliche Genitalverstümmelung ergreifen. Die 46 Unterzeichnerstaaten, darunter auch Deutschland, verpflichten sich unter anderem, Frauen und Mädchen durch strafrechtliche Verfolgung der Gewalttäter besser zu schützen. Als Gewalt gilt dabei nicht nur physische Gewalt, sondern auch geschlechtsspezifische Diskriminierung, Einschüchterung oder wirtschaftliche Ausbeutung.

Quelle: AFP

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