Die EU will den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko mit harten Strafmaßnahmen weiter unter Druck setzen. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) drohte Lukaschenko am Donnerstag mit einer “großen und langen Sanktionsspirale”. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell forderte eine schnelle Entscheidung über die weiteren Maßnahmen gegen die belarussische Regierung wegen der erzwungenen Landung eines Ryanair-Flugzeuges und der Festnahme eines Oppositionellen. Als mögliches Ziel von Sanktionen nannte er die Kali-Ausfuhr und den Gastransit durch Belarus.
Ohne ein Einlenken Lukaschenkos würden Strafmaßnahmen gegen Verantwortliche für die Umleitung der Ryanair-Maschine nur “der Beginn einer großen und langen Sanktionsspirale sein”, sagte Maas bei einem Treffen mit seinen EU-Kollegen in Lissabon. Ziel sei es dann, “die Wirtschaftsstruktur und den Zahlungsverkehr in Belarus mit Sanktionen ganz erheblich” zu treffen.
Der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs hatte am Montag wegen des Ryanair-Vorfalls und der Verhaftung des an Bord befindlichen Oppositionellen Roman Protassewitsch eine Sperrung des europäischen Luftraums für Flugzeuge aus Belarus und ein Landeverbot auf EU-Flughäfen vereinbart. Zudem wurden die EU-Außenminister aufgefordert, neben Sanktionen gegen Verantwortliche auch Wirtschaftssanktionen zu beschließen.
Er hoffe, dass die Sanktionen schon “in den nächsten Tagen” umgesetzt werden könnten, sagte Maas. Es sei dabei klar, dass sich die EU angesichts des inakzeptablen Vorgehens von Lukaschenko “nicht mit kleinen Sanktionsschritten zufrieden geben” werde. Maas forderte Lukaschenko auf, nicht nur Protassewitsch und seine gleichfalls festgenommene Partnerin freizulassen, sondern all “die über 400 politischen Gefangenen” in Belarus.
Die EU müsse “Maßnahmen ergreifen, deren Gewicht Lukaschenko zu spüren bekommt”, betonte auch der EU-Außenbeauftragte Borrell. Als mögliches Ziel der Wirtschaftssanktionen nannte er in einem Interview der Nachrichtenagentur AFP die belarussischen Kalisalz-Exporte. Zudem brachte er eine Umleitung von Gasexporten aus Russland in die EU ins Spiel. “Belarus würde die Durchleitungsentgelte verlieren, was nicht unerheblich ist”, sagte Borrell.
Auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn verwies in Lissabon auf die Kali-Ausfuhren. “Ich glaube, das würde diesem Lukaschenko sehr weh tun”, sagte er. Österreichs Außenminister Alexander Schallenberg sagte, die EU müsse nun “klare Kante zeigen”, um diesen “Akt der Luftpiraterie” zu ahnden. Die Maßnahmen dürften aber nicht die Menschen in Belarus treffen.
Auch sein litauischer Kollege Gabrielius Landsbergis betonte, Ziel der Sanktionen müsse es sein, die Wirtschaftsinteressen der Regierung zu treffen und die Auswirkungen auf die Bevölkerung so gering wie möglich zu halten.
Die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja unterstützte die von der EU eingeleiteten Schritte gegen Belarus. Die beschlossenen Überflug- und Landeverbote dürften die Menschen aber nicht daran hindern, aus ihrem Heimatland zu fliehen. “Belarussen haben nun nicht länger die Möglichkeit, aus Belarus zu fliehen, wenn sie dem Regime entkommen wollen”, sagte Tichanowskaja am Mittwoch der Nachrichtenagentur AFP. “Wir arbeiten an Möglichkeiten für Notfall-Evakuierungen”, fügte die Oppositionspolitikerin hinzu, die im Exil in Litauen lebt.
Die westlichen Mitglieder des UN-Sicherheitsrats bezeichneten das Vorgehen der belarussischen Behörden am Mittwochabend als “beispiellos und inakzeptabel”. Die Verantwortlichen müssten “vollständig zur Rechenschaft” gezogen werden, erklärten die europäischen Staaten und die USA in einer gemeinsamen Erklärung. Für Donnerstag ist eine Dringlichkeitssitzung der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO) geplant. Die diplomatischen Repräsentanten des ICAO-Rates wollen in Montréal über den Fall beraten.
Am Mittwoch hatte die Regierung in Minsk ihrerseits den französischen Behörden “Luftpiraterie” vorgeworfen, nachdem ein belarussisches Passagierflugzeug auf dem Weg nach Barcelona vor dem Eintritt in EU-Luftraum umkehren musste. Der Maschine sei untersagt worden, den französischen Luftraum zu durchfliegen, teilte das Außenministerium in Minsk mit. Flug B2869 habe deshalb rund zwei Stunden lang Schleifen in der Nähe der polnischen Grenze fliegen müssen, bevor die Maschine schließlich nach Minsk zurückgeflogen sei.
Die polnischen Behörden teilten mit, die belarussische Maschine wegen des französischen Flugverbots abgewiesen zu haben. Ein anderes Flugzeug aus Minsk durfte dagegen in Warschau landen. Später teilte Polens Regierung dann mit, die beim EU-Gipfel am Montag beschlossene Luftraumsperrung für belarussische Flugzeuge umgesetzt zu haben.
Quelle: AFP