Zeichen in Nahost stehen trotz internationaler Appelle weiter auf Eskalation

Copyright POOL/AFP/Archiv Bernd von Jutrczenka

Trotz internationaler Appelle für ein rasches Ende der Gewalt stehen die Zeichen in Nahost weiter auf Eskalation: Aus dem Gazastreifen wurden in der Nacht zum Donnerstag erneut hunderte Raketen auf Israel abgefeuert; die israelischen Behörden untersagten die Landung sämtlicher Passagierflüge am internationalen Flughafen Ben Gurion und leiteten sie zum südlichen Flughafen Ramon bei Eilat um. In mehreren israelischen Städten lieferten sich jüdische und arabische Bewohner gewaltsame Auseinandersetzungen.

Nach tagelangem gegenseitigen Beschuss zwischen der radikalislamischen Hamas und der israelischen Armee wächst international die Angst vor einem erneuten Krieg im Nahen Osten. In weiten Teilen Israels wurde in der Nacht zum Donnerstag Raketenalarm ausgelöst. Sirenen ertönten erstmals seit Jahren auch wieder im Norden des Landes – die Armee sprach später von “falschem Alarm”. Nach Angaben von Rettungskräften wurden fünf Menschen verletzt, als ein Geschoss in einem Wohnkomplex in Petach Tikva nahe Tel Aviv einschlug. 

Nach israelischen Angaben feuerten militante Palästinenserorganisationen wie die Hamas und der Islamische Dschihad seit Montagabend mehr als 1600 Raketen aus dem Gazastreifen auf Israel ab. Dabei wurden in Israel sieben Menschen getötet, darunter ein sechsjähriges Kind sowie ein Soldat. 

Auch die israelische Luftwaffe flog in der Nacht zum Donnerstag erneut Vergeltungsangriffe im Gazastreifen. Armeeangaben zufolge richteten sie sich unter anderem gegen ein Gebäude, das mit der “Spionageabwehr” der Hamas in Verbindung steht, sowie gegen das Haus eines Hamas-Kommandanten.

Am Mittwoch hatte die israelische Luftwaffe bereits bei hunderten Einsätzen Einrichtungen militanter Gruppen im Gazastreifen bombardiert. Dabei wurde unter anderem ein Hochhaus im Zentrum von Gaza-Stadt komplett zerstört, in dem sich auch mehrere Büros der Hamas befanden. 

Nach palästinensischen Angaben wurden bei den israelischen Angriffen seit Montag insgesamt 83 Menschen getötet, darunter 17 Kinder. Zudem meldeten die Gesundheitsbehörde knapp 500 Verletzte. Die Hamas bestätigte den Tod mehrerer ihrer militärischen Anführer, darunter auch der Chef ihres bewaffneten Arms im Gazastreifen, Bassem Issa. 

Angesichts der Verschärfung des blutigen Schlagabtauschs beantragten am Mittwoch Tunesien, Norwegen und China die bereits dritte Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats binnen einer Woche. An der für Freitag vorgesehenen öffentlichen Sitzung werden voraussichtlich auch Israel und die Palästinenser teilnehmen. 

Bei den bisherigen Sitzungen konnte sich der Rat nicht auf eine gemeinsame Erklärung einigen. Übereinstimmenden Berichten zufolge lehnten die USA als einziges der 15 Ratsmitglieder die Erklärung ab. Das US-Außenministerium kündigte am Mittwoch jedoch die Entsendung des Vize-Staatssekretärs Hady Amr als Vermittler in die Region an. 

US-Präsident Joe Biden äußerte in einem Telefonat mit dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu die Hoffnung auf ein rasches Ende der Gewalt. “Meine Erwartung und meine Hoffnung ist, dass das eher früher als später endet”, sagte er. Zugleich bekräftigte Biden Israels Recht auf Selbstverteidigung. US-Außenminister Antony Blinken forderte in einem Telefonat mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ein Ende des Raketenbeschusses aus dem Gazastreifen.

Vor dem Hintergrund des Konflikts nahmen auch die Spannungen zwischen jüdischen und arabischen Israelis zu. Die Polizei berichtete am späten Mittwochabend von gewaltsamen Zwischenfällen in Akko, Haifa und Lod. Mehr als 370 Menschen wurden festgenommen. 

In Bat Yam südlich von Tel Aviv wurde ein mutmaßlich arabischer Einwohner von einer wütenden Menge ultranationalistischer Juden attackiert. Vom israelischen Sender Kan übertragene Livebilder zeigten, wie dutzende Angreifer den Mann gewaltsam aus seinem Auto zerrten und ihn bewusstlos prügelten. 

Netanjahu prangerte die Gewalt in israelischen Städten als “inakzeptabel” an. “Nichts rechtfertigt das Lynchen von Arabern durch Juden und nichts rechtfertigt das Lynchen von Juden durch Araber”, betonte er. Mit Blick auf die Ausschreitungen im Land und den gleichzeitigen Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen sprach Netanjahu von einem Kampf “an zwei Fronten”.

Auslöser der jüngsten Gewalteskalation ist die drohende Zwangsräumung von rund 30 Palästinensern aus ihren von jüdischen Israelis beanspruchten Wohnungen in Ost-Jerusalem. Bei den heftigsten Zusammenstößen seit Jahren zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem waren in den vergangenen Tagen hunderte Palästinenser und dutzende Polizisten verletzt worden.

Quelle: AFP

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