Raketen auf Israel, israelische Luftangriffe im Gazastreifen, Tote auf beiden Seiten: Allen internationalen Aufrufen zur Mäßigung zum Trotz ist der Konflikt zwischen Israelis und Palästinensern am Dienstag weiter eskaliert. Nach dem Tod zweier Israelinnen durch Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen kündigte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu noch mehr Härte an, die Hamas antwortete wiederum mit Raketen auf Tel Aviv. Ein Ende der Gewalt ist nicht in Sicht.
In einer Videobotschaft kündigte Netanjahu an, die Angriffe auf das Palästinensergebiet weiter zu verstärken. Seit Montag habe die israelische Armee schon hunderte Angriffe gegen die militanten Palästinenserorganisationen Hamas und Islamischer Dschihad gestartet, sagte Netanjahu.
Nun werde die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, “in einer Art und Weise getroffen werden, die sie nicht erwartet”. “Wir haben Kommandeure ausgeschaltet, viele wichtige Ziele getroffen, und wir haben beschlossen, härter anzugreifen und das Tempo der Angriffe zu erhöhen”, drohte Netanjahu. Bereits zuvor hatte Verteidigungsminister Benny Gantz der Armee erlaubt, falls nötig 5000 Reservisten zu mobilisieren.
Am Abend wurde bei einem israelischen Luftangriff im Gazastreifen ein Hochhaus zerstört. Das zwölfstöckige Haus im Stadtzentrum von Gaza, in dem sich auch mehrere Büros der radikalislamischen Hamas befanden, stürzte vollständig ein. Auch mehrere benachbarte Gebäude wurden beschädigt. Über Tote oder Verletzte lagen zunächst keine Angaben vor.
Die Antwort kam umgehend. Die Hamas, die den Gazastreifen kontrolliert, feuerte zur Vergeltung nach eigenen Angaben 130 Raketen auf die israelische Großstadt Tel Aviv ab. Der Flugbetrieb am internationale Flughafen Ben Gurion wurde vorsorglich eingestellt. Über mögliche Opfer wurde zunächst nichts bekannt.
Bereits zuvor waren nach Angaben der israelischen Armee mehr als 300 Raketen seit Montag aus dem Gazastreifen in Richtung Israel abfeuert worden. Etwa 90 Prozent von ihnen fing das israelische Abwehrsystem “Eiserne Kuppel” ab. In der südisraelischen Stadt Aschkelon wurden aber zwei 65 und 40 Jahre alte Frauen durch den Raketenbeschuss getötet. Etwa 30 Menschen, darunter fünf Kinder, wurden verletzt.
Die radikalislamische Hamas hatte gedroht, in der rund 150.000 Einwohner zählenden Stadt ein “Inferno” anzurichten, sollten bei israelischen Angriffen auf den Gazastreifen weitere Zivilisten getötet werden. In Aschkelon waren am Morgen laute Explosionen zu hören. Nach Angaben der Gemeinde trafen insgesamt fünf Geschosse bewohnte Gebiete. “Wir mussten uns im Schrank verstecken, weil es bei uns keine Schutzräume gibt”, berichtete die Shelly Belayev, deren Haus schwer beschädigt wurde.
Bei israelischen Angriffen auf Ziele im Gazastreifen wurden bis zum Nachmittag palästinensischen Angaben zufolge 28 Menschen getötet, darunter zehn Kinder. Rund 150 Menschen wurden demnach verletzt. Die israelischen Behörden betonten, die Angriffe richteten sich vor allem gegen militärische Ziele im Gazastreifen. Dabei seien 17 ranghohe Mitglieder militanter Palästinensergruppen getötet worden.
Im von Israel besetzten Westjordanland wurde nach palästinensischen Angaben ein Palästinenser von der israelischen Armee erschossen. Ein weiterer Palästinenser wurde demnach verwundet. Bei den Männern soll es um Mitglieder des palästinensischen Geheimdienstes gehandelt haben.
Trotz der schlimmsten Angriffe seit Jahren verhallten alle Appelle zur Zurückhaltung bislang ungehört. Auch Ägypten und Katar, die bereits in früheren Konflikten zwischen Israel und der Hamas vermittelt hatten, bemühten sich diplomatischen Quellen zufolge um eine Beruhigung der Lage. Der ägyptische Außenminister Sameh Schukri sagte jedoch bei einem Treffen der Arabischen Liga, Kairo habe sich intensiv bemüht, nicht aber die erwünschte Antwort erhalten.
In der Jerusalemer Altstadt wurde ebenfalls mit neuen Auseinandersetzungen gerechnet. Bei den heftigsten Zusammenstößen seit Jahren zwischen israelischen Sicherheitskräften und Palästinensern in Ost-Jerusalem waren am Vortag etwa 520 Palästinenser und 32 Polizisten verletzt worden. Die Polizei erklärte, dass sie Unruhe oder Aufrufe zu Gewalt nicht zulassen werde. Polizeipräsident Kobi Schabtai sagte dem Senter N12 TV am Montag, die Beamten hätten bisher “zu viel Zurückhaltung gezeigt”. “Wir sind jetzt in der Phase, in der wir die Handschuhe ausziehen”.
Quelle: AFP