Wegen seiner Verantwortung für den Tod des Afroamerikaners George Floyd bei einem brutalen Polizeieinsatz ist der Ex-Polizist Derek Chauvin schuldig gesprochen worden. Die Geschworenen in Minneapolis befanden den 45-Jährigen am Dienstag in allen drei Anklagepunkten für schuldig. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt festgelegt. Unterdessen starb in der Stadt Columbus eine 16-jährige Afroamerikanerin durch Polizeikugeln, als sie anscheinend eine andere Jugendliche mit einem Messer bedrohte.
Das Urteil der Geschworenen im Floyd-Prozess fiel nach weniger als elfstündigen Beratungen einstimmig aus. Chauvin nahm den Schuldspruch regungslos zur Kenntnis. Der bislang gegen Kaution freigelassene Ex-Polizist wurde umgehend festgenommen. Ein Beamter legte ihm noch im Gerichtssaal Handschellen an.
Vor dem Gerichtsgebäude in Minneapolis im Bundesstaat Minnesota, wo sich zahlreiche Demonstranten versammelt hatten, brach Jubel aus. “Schuldig! Der Familie von George Floyd ist endlich schmerzhaft verdiente Gerechtigkeit widerfahren”, erklärte der Anwalt der Familie, Ben Crump. “Dieses Urteil ist ein Wendepunkt der Geschichte.” Es sende die “klare Botschaft”, dass Polizisten für Fehlverhalten zur Verantwortung gezogen werden müssten.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich “erleichtert” über das Urteil. “Es ist wirklich wichtig”, sagte er nach dem Schuldspruch in einem Telefonat mit der Familie Floyd.
In einer Ansprache im Weißen Haus versprach Biden anschließend, den Kampf gegen Rassismus und Polizeigewalt gegen Schwarze fortzusetzen. Der Schuldspruch gegen Chauvin sei zwar “ein Schritt nach vorn”, aber “nicht genug”, sagte der US-Präsident. Biden verwies unter anderem auf einen nach Floyd benannten Gesetzentwurf zu umfassenden Reformen bei der Polizei.
Auch Ex-Präsident Barack Obama begrüßte den Schuldspruch gegen Chauvin. “Heute hat eine Jury das Richtige getan”, schrieb der erste schwarze Präsident der US-Geschichte auf Twitter. “Aber wahre Gerechtigkeit verlangt nach viel mehr.” Bürgerrechtsgruppen fordern tiefgreifende Reformen bei der US-Polizei, der immer wieder Gewalttaten gegen Schwarze zur Last gelegt werden.
UN-Menschenrechtskommissarin Michelle Bachelet erklärte, jedes andere Urteil wäre angesichts der erdrückenden Beweislast eine “Verleugnung des Rechts” gewesen.
Chauvin hatte dem wegen Falschgeldvorwürfen festgenommenen Floyd am 25. Mai 2020 in Minneapolis neuneinhalb Minuten lang das Knie in den Nacken gedrückt, obwohl dieser wiederholt klagte, er bekomme keine Luft mehr. Der auf einem Handyvideo festgehaltene Tod sorgte international für Empörung und löste in den USA landesweite Proteste gegen Rassismus und Polizeigewalt aus. Floyd wurde zu einer Symbolfigur der Bewegung Black Lives Matter (Das Leben von Schwarzen zählt).
Die Anklage sah es als erwiesen an, dass Floyd an einem Sauerstoffmangel infolge von Chauvins Knie-Einsatz starb. Chauvins Verteidiger Eric Nelson argumentierte dagegen, sein Mandant habe gemäß den Polizeiregeln Zwangsmittel eingesetzt, weil Floyd bei seiner Festnahme “aktiven Widerstand” geleistet habe.
Chauvin muss wegen Mordes zweiten Grades, Mordes dritten Grades und Totschlags zweiten Grades mit einer langjährigen Haftstrafe rechnen. Das Strafmaß soll erst in einigen Wochen festgesetzt werden. Auf den Hauptanklagepunkt Mord zweiten Grades steht eine Höchststrafe von 40 Jahren. Im Bundesstaat Minnesota werden Strafen von einzelnen Anklagepunkten in der Regel nicht addiert. Richter Peter Cahill könnte deutlich unter der Höchststrafe bleiben, weil Chauvin keine Vorstrafen hat. Der Ex-Polizist kann gegen seine Verurteilung in Berufung gehen.
Am Dienstag wurde in den USA erneut eine junge Afroamerikanerin durch Polizeikugeln getötet. Wie die Polizei in der Stadt Columbus im US-Bundesstaat Ohio mitteilte, erschoss ein Polizist die 16-jährige Ma’Khia Bryant, die anscheinend eine andere Jugendliche mit einem Messer bedroht hatte. Die Polizei veröffentlichte Videoaufnahmen von der Körperkamera des Polizisten. Die Behörden wollten “transparent mit dem Vorfall” umgehen, sagte Columbus’ Polizeichef Michael Woods. In der Stadt kam es nach dem Tod Bryants zu Demonstrationen.
Quelle: AFP