Die Hoffnung, das seit sechs Tagen im Suez-Canal feststeckende Containerschiff “Ever Given” zu Wochenbeginn wieder flottmachen können, ist am Sonntag weiter gestiegen. Nach Angaben der Tracking-Apps MarineTraffic und VesselFinder waren am Sonntag zwei weitere Schlepper auf dem Weg zu der wichtigen Wasserstraße, um bei der Bergung zu helfen. Das mit der Bergung beauftragte niederländische Spezialunternehmen Smit Savage setzt zudem auf eine am Sonntagabend einsetzende Frühjahrsflut.
Das 400 Meter lange und über 220.000 Tonnen schwere Containerschiff war am Dienstag in einem Sandsturm vom Kurs abgekommen und in Ufernähe des Suez-Kanals auf Grund gelaufen. Es blockiert seitdem den Wasserweg zwischen Rotem Meer und Mittelmeer, sämtliche Schiffe darin können nicht weiterfahren. Seit Mittwoch laufen die Bemühungen der ägyptischen Kanalbehörde SCA auf Hochtouren, die “Ever Given” wieder freizubekommen.
Zuletzt stauten sich auf beiden Seiten des Kanals bereits über 320 Schiffe mit Frachtgut im Wert von Milliarden von Dollar. Jeder Tag, an dem der Suez-Kanal blockiert bleibt, kostet den Welthandel nach einem Bericht des Versicherers Allianz zwischen sechs und zehn Milliarden Dollar. Nach Angaben der Kanalbehörde SCA verliert Ägypten pro Tag der Schließung zwischen zwölf und 14 Millionen Dollar.
Erste konkrete Auswirkungen sind bereits zu spüren: Syrien erklärte am Samstag, dass es als Reaktion auf eine ausbleibende Öllieferung mit der Rationierung der Treibstoffversorgung begonnen habe. Tierschützer sorgen sich unterdessen um das Schicksal von 130.000 Schafen an Bord von elf rumänischen Frachtern.
Deutsche Unternehmen befürchten ebenfalls Lieferengpässe. Ein Sprecher des Versandhändlers Otto sagte der “Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung”, auf den wartenden Schiffen von Fernost Richtung Europa seien “etliche Container” mit Waren registriert.
SCA-Chef Osama Rabie hofft, dass die “Ever Given” bis Sonntagnacht wieder flottgemacht werden kann. Dank der bereits unter dem Bug entfernten 27.000 Kubikmeter Sand und mit Hilfe von rund einem Dutzend Schleppern habe sich das Schiff am späten Samstag zum ersten Mal “um 30 Grad nach links und rechts bewegt”, sagte er im ägyptischen Fernsehen. Erwägt wird laut dem Bergungsunternehmen zudem die zusätzliche Entladung von Containern.
Optimistisch zeigte sich auch der Chef des japanischen Schiffseigners Shoei Kisen, Yukito Higaki. Es gebe keine Probleme mit Steuerung und Antrieb, sagte er am Freitag: “Sobald sich das Schiff wieder bewegt, sollte es operationsfähig sein”.
Ungeachtet der optimistischen Töne planen mehrere Groß-Reedereien wie Maersk und die deutsche Hapag-Lloyd, auf die deutlich längere Route über das Kap der Guten Hoffnung auszuweichen. Die französische Reederei CMA CGM sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP, sie habe beschlossen, zwei ihrer Schiffe über das Kap der Guten Hoffnung umzuleiten. Andere Möglichkeiten, die Fracht per Flugzeugen oder Bahnverbindung “über die Seidenstraße” zu transportieren, würden derzeit geprüft.
Angesichts der anhaltenden Blockade bot die US-Armee ihre Unterstützung an. Es liefen bereits entsprechende Gespräche mit den ägyptischen Behörden, sagte die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, am Freitag. Ein Expertenteam der US-Marine könnte schnell zum Suez-Kanal entsandt werden – eine zentrale Aufgabe des für den Nahen Osten zuständigen Zentralkommandos ist der Schutz der Handelsschiffe in der Region.
Der Chef des Kanalbetreibers schließt inzwischen aus, dass allein der Sandsturm für die Havarie verantwortlich sei. Möglicherweise hätten auch technische Probleme oder “menschliches Versagen” dazu beigetragen.
Quelle: AFP