Miriam Mack sorgt als betriebliche Gesundheitsmanagerin im Europa-Park für eine Feelgood-Kultur, die an die Eigenverantwortung appelliert und die Mitarbeiterzufriedenheit steigert
Ulm TV Redaktion: Sie haben zehn Jahre lang als Model gearbeitet. War es diese Zeit, die Ihr großes Engagement für Gesundheit und gute Ernährung hervorgerufen hat?
Miriam Mack: Diese Zeit hat mein Bewusstsein für einen gesunden Umgang mit sich selbst ganz sicher vertieft, angefangen hat es aber schon früher: Zunächst habe ich eine grundsolide Ausbildung zur Bankkauffrau gemacht – und hatte jeden Freitag pünktlich zum Wochenende Migräne. Die Ursache wurde von Ärzten nie geklärt, und als ich mich dann zum ersten Mal mit einem Heilpraktiker ausgetauscht habe, ging es ganz schnell um Ernährung, Energie und Stressmanagement. Seit ich mich viel bewege, bewusst und clean ernähre geht es mir extrem viel besser. Und das möchte ich weitergeben, denn es ist so wichtig präventiv an der Gesundheit zu arbeiten.
Ulm TV Redaktion: Ihrer Familie gehört mit dem Europa-Park in Rust der größte deutsche Freizeitpark. Welche Rolle nehmen Sie im Unternehmen Ihres Schwiegervaters ein?
Miriam Mack: Als ich im Park anfing, war ich zunächst an der Hauptkasse – man dachte das passt, weil dort auch schon die Seniorchefin und danach meine Schwiegermutter vertreten waren und ich als Bankkauffrau ja quasi prädestiniert war für die Finanzen. Ich habe das eine Zeitlang gemacht und dabei die Menschen um mich herum beobachtet: Wie geht es ihnen, wie versorgen wir sie, wie gestalten sie ihren Arbeitstag? Das Unternehmen hat meiner Meinung nach eine große Verantwortung gegenüber seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die hier acht, neun, manchmal zehn Stunden ihres Tages verbringen. Gerade in einem Betrieb, der von direkter Dienstleistung lebt, sind sie die allerwichtigste Ressource und müssen ideale Bedingungen vorfinden. Wir haben schon immer gut auf unsere Mitarbeiter achtgegeben, so dass eine großartige Unternehmenskultur gewachsen ist aber ein kleines Update auf kommende Generationen war wichtig.
Deshalb kam vor knapp fünf Jahren die Idee des betrieblichen Gesundheitsmanagements auf. Ich hatte davon im Handelsblatt gelesen, mich weitergebildet und beschlossen, dass ein modernes Unternehmen wie der Europa-Park eine solche Abteilung braucht.
Ulm TV Redaktion: War es schwierig die Gesellschafter des Europa-Parks in Rust davon zu überzeugen, ein betriebliches Gesundheitsmanagement einzuführen? Wie sind sie vorgegangen?
Miriam Mack: Da wir ein Familienunternehmen sind, hatte ich kurze Entscheidungswege: Mein Mann und mein Schwiegervater waren schnell begeistert, und auch der Onkel meines Mannes, der für HR zuständig ist, ließ sich überzeugen. Das Risiko war ja auch gering – eigentlich war klar, dass nur Gutes dabei herauskommen kann, die Frage war lediglich in welcher Größenordnung. Ich glaube allerdings immer noch, dass sie alle nicht geahnt haben, wie viel man tatsächlich mit betrieblichem Gesundheitsmanagement bewirken kann. Und auch unsere etwa 4.000 Mitarbeiter haben anfangs nicht allzu viel erwartet, die ersten Turnstunden beispielsweise wurden eher belächelt. In der Kantine musste ich eingefleischte Köche dazu überreden auch mal eine vegane Bowl auszuprobieren – das ging nur mit Teamwork: Wir haben einfach gemeinsam experimentiert, kreiert und gewerkelt und im zweiten Schritt dann ein wissenschaftliches Institut hinzugezogen, mit dem wir die einzelnen Rezepte umgestrickt haben – das heißt: weniger Zucker und Weißmehlprodukte, mehr frisches Gemüse und mageres Fleisch. Nun gibt es zwar keine Gratis-Cola mehr, dafür aber jeden Tag ein Feelgood-Menü, das sich großer Beliebtheit er- freut.
Ulm TV Redaktion: Welche weiteren Elemente beinhaltet Ihr Gesundheitsmanagement?
Miriam Mack: Es besteht aus vielen unterschiedlichen Bausteinen, die wir zu einem großen Ganzen zusammenführen, um die Arbeit an gesundheitsfördernden Strukturen und Prozessen auszurichten.
Das fängt an mit dem betriebsärztlichen Dienst, bei dem medizinische Untersuchungen, Impfungen und Beratungen direkt vor Ort durchgeführt werden können. Neben der ge- sunden Ernährung inklusive Ampelsystem haben wir Fitness-Challenges und andere spielerische Elemente eingeführt, damit sich die Mitarbeiter regelmäßig bewegen. Auch ergonomische Arbeitsplätze und Gesundheitslotsen für die Abteilungen gehören dazu. Jetzt in Corona-Zeiten gibt es zudem jeden Mittwoch einen Feelgood-Talk, zu dem sich alle Interessierten für Vorträge und Diskussionen einloggen können.
Aber das Thema hat auch noch ganz andere Facetten: Ein gutes Eingliederungsmanagement nach längerer Krankheit etwa. Oder Schuldnerberatung und Sozialberatung. Wenn beispielsweise jemand, der an der Achterbahn arbeitet, einen Pflegefall zu Hause hat, hilft es ihm konzentrierter zu arbeiten, wenn sich jemand um den Papierkram kümmert. Wichtig finde ich außerdem ganz generell ein gesundes Mit- einander, das von Respekt und flachen Hierarchien geprägt ist. Wir verfolgen also einen sehr ganzheitlichen Ansatz, der gerade auch bei jungen Menschen gut ankommt – und das ist noch aus einem anderen Grund wichtig: Wir sitzen nicht in New York oder München, sondern in Rust. Da müssen Sie einen gewissen Standard bieten, um gute Leute zu halten und anzulocken.
Ulm TV Redaktion: Welche Argumente geben Sie Unternehmen mit auf den Weg, die überlegen eine Form von Health Management, Gesundheitsvorsorge oder Ähnliches einzuführen?
Miriam Mack: Wir wollen auch überregional überzeugen. Dafür haben wir beispielsweise unser Tagungsgeschäft erweitert: Man kann gesunde Tagungen buchen mit entsprechender veganer oder vegetarischer Verpflegung, Aktivpausen oder sogar einem Gesundheits-Keynote Speaker. Kleinere Firmen, die keine eigene Abteilung für das Thema haben, können bei uns Workshops machen und von unseren Erfahrungen profitieren. Besonders überzeugend sind immer unsere Kennzahlen, beispielsweise der Return on Invest. Wenn man nur ein Prozent der Krankentage einsparen kann, ist das schon eine ordentliche Summe, so dass sich das Engagement sehr schnell rechnet. Auch bei der Mitarbeiterzufriedenheit sehen wir inzwischen große Effekte. Dafür braucht man allerdings einen langen Atem – auch das gehört zur Wahrheit dazu.
Ulm TV Redaktion: Viele Menschen haben Probleme, ihre Gesundheit und ihr häufig anstrengendes, Kräfte zehrendes Berufsleben in Einklang zu bringen. Können Sie aus Ihrer Erfahrung heraus ein paar Tipps geben, wie man sich erfolgreich selbst helfen kann?
Miriam Mack: Für mich ist Arbeitszeit Lebenszeit. Ich kenne aus früheren Jahren das Gefühl nach einem Arbeitstag so ausgelaugt zu sein, dass die Couch die einzige Option ist. Doch das Leben ist nicht mehr so intensiv lebenswert, wenn man nach Feierabend keine Energie für Freizeitaktivitäten hat. Deshalb ist es wichtig die Gesundheit während der Arbeit zu erhalten oder sogar zu steigern. Oft braucht es dafür gar nicht viel. Wasser trinken, Bewegung und der Verzicht auf Naschereien sind das A und O, dazu ein ergonomischer Arbeitsplatz und ein harmonisches Betriebsklima.
Helfen können dabei Rituale, beispielsweise morgens ein großes Glas Wasser trinken und einige Atemzüge am geöffneten Fenster machen, um den Stoffwechsel anzuregen und die Giftstoffe aus dem Körper zu spülen, die sich über Nacht angesammelt haben. Wer es schafft zwei Drittel seines Tagesbedarfs an Wasser (0,45 ml pro kg) bis 14 Uhr zu trinken, vermeidet das unangenehme Mittagstief. Auch Bewegungsrituale auf dem Weg zur Arbeit oder während der Arbeit können nützlich sein. Ein gelungener Start in den Tag hat einen direkten Einfluss auf einen guten Arbeitsflow während des gesamten Tages.
Ulm TV Redaktion: Bei Ihnen suchen auch Einzelpersonen Rat zum Thema Gesundheitsförderung. Welche Fragen werden Ihnen am häufigsten gestellt? Und welche Antworten geben Sie?
Miriam Mack: Unter dem Strich geht es fast immer um Stressreduzierung, Eigenverantwortung und Ernährung – und da v.a. um das Gewichtsmanagement. Viele schaffen es einfach nicht den inneren Schweinehund zu überwinden. Deshalb bieten wir Kurse an, die dabei helfen sollen mehr Verantwortung für sich selbst zu übernehmen sowie eine gute Lebensordnung zu schaffen, z.B. mit Ritualen.
Ulm TV Redaktion: Wie viel und welchen Sport treiben Sie selbst?
Miriam Mack: Der stete Tropfen höhlt den Stein. Ich mache keine regelmäßige Sportart wie Tennis im Verein, dazu fehlt mir neben Arbeit und Familie die Zeit. Aber ich mache praktisch jeden Morgen direkt nach dem Aufstehen etwa 25 Minuten Bewegungs-, Dehn- und Kraftübungen, die mir sehr gut tun. Außerdem nutze ich jede Gelegenheit zu Fuß zu gehen und viel an der frischen Luft zu sein – das reinigt Körper und Geist.
Ulm TV Redaktion: Haben Sie für sich und Ihre Familie eine bestimmte Ernährungsform gewählt, nach der Sie sich vorwiegend richten?
Miriam Mack: Saisonal und regional muss es sein. Ich bin bei meinen Eltern in der Stuttgarter Gegend mit einem riesigen Schrebergarten aufgewachsen, wir hatten Hühner, Schafe, Obst und Gemüse. Auch heute noch gehe ich mit meinen Kindern regelmäßig dorthin – und wir sind alle unheimlich zufrieden, wenn wir beim Gießen und Ernten helfen können. Entsprechend kommen bei uns nur frische, vollwertige Nahrungsmittel auf den Tisch. Aber natürlich genießen wir auch mal ein Crepe im Freizeitpark!
Ulm TV Redaktion: Was war der schönste Erfolg, den Sie bisher in Ihrem Berufsleben erreichen konnten?
Miriam Mack: Was mich enorm freut ist, wenn Menschen Ratschläge annehmen, die nachhaltig ihr Wohlbefinden und ihre Lebensqualität steigern und ich Dankbarkeit zurückbekomme. Sehr viel geben mir außerdem die sozialen und kulturellen Angelegenheiten, die ich begleiten darf. Von meinem Schwiegervater habe ich einige Projekte übernommen, etwa die „frohen Herzen“ – das sind Aktionswochen, in denen wir tausende von sozial benachteiligen Menschen in den Park einladen, im wahrsten Sinne des Wortes ein absolutes Herzensprojekt. Auch darüber hinaus machen wir im Europa-Park Aktionen für Kinder und Jugendliche aus sozial schwachen Familien oder arbeiten mit Kinderkrebskliniken zusammen. Wenn wir dann Wochen später Briefe voller Dankbarkeit erhalten, macht das die Arbeit sehr wertvoll.
Ulm TV Redaktion: Sie sind Botschafterin des Deutschen Kinderhilfswerks und Vorstandsvorsitzende von Märchenland Europäisches Zentrum für Märchenkultur. Woher kommt ihr großes Engagement für Kinder?
Miriam Mack: Ich sehe durch meine Arbeit, wie viel quasi direkt vor unserer Haustüre schiefläuft. Früher schien das alles so weit weg. Doch es gibt tatsächlich hier und heute viele Kinder, deren Tag noch nicht einmal mit einem Frühstück beginnt, von fairen Bildungschancen ganz zu schweigen. Sie sitzen morgens mit knurrendem Magen im Unterricht und können sich nicht konzentrieren. Wir alle kennen Kinder aus Problemfamilien, deren Weg vorprogrammiert ist, wenn sie keinen Zugriff auf Bildung und gesunde Ernährung bekommen. Diese Ungerechtigkeit tut mir weh. Deshalb setze ich mich im Rahmen meiner Möglichkeiten und vielen Aktivitäten für Chancengleichheit ein, wo ich nur kann.
Ulm TV – Exklusiv-Interview