Vor dem internationalen Frauentag am Montag hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) harsche Kritik an der Bundesregierung geübt. “Deutschland ist immer noch gleichstellungspolitisches Entwicklungsland, weil es auch mit dieser Bundesregierung nur im Schneckentempo voran geht”, sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack am Sonntag der Nachrichtenagentur AFP. Alle gleichstellungspolitischen Gesetze seien “bislang auf dem Niveau des kleinsten gemeinsamen Nenners” geblieben.
“Das Gesetz, das Lohngerechtigkeit herstellen sollte, sorgt nicht mal für Transparenz”, sagte Hannack. “Die erweiterte Quote, die hoffentlich bald vom Bundestag beschlossen wird, erreicht zwar die Vorstände, setzt aber nur Minimalziele.” Dies sei besser als nichts. “Aber wir leben im 21. Jahrhundert, die Bundesrepublik ist mehr als 70 Jahre alt und der Gleichstellungsgrundsatz im Grundgesetz immer noch nicht erfüllt”, kritisierte die DGB-Vizechefin. “Den großen Wurf vermissen wir bis heute.”
“Durchschnittlich 19 Prozent weniger Gehalt als Männer, vielfach prekär beschäftigt, ohnehin seltener in Führungspositionen und dann in der Krise auch noch öfter gefeuert als Männer – das ist die Realität für Frauen in Deutschland”, sagte Hannack AFP. An vielen Stellen sei “noch die Wirtschaftswundermentalität der 50er Jahre angesagt”. Hannack forderte einen Gleichstellungscheck für alle im Bundestag beschlossenen Gesetze, damit diese der Teilhabe von Frauen in Arbeitswelt und Gesellschaft nicht zuwiderlaufen.
Hannack beklagte zudem, dass in der Coronakrise der sogenannte Gender-Care-Gap noch größer geworden sei. “Schon vor Corona haben Frauen jeden Tag anderthalb Stunden mehr unbezahlte Sorgearbeit in Haushalt und Familie geleistet als Männer”, sagte sie. Nun sei der Unterschied noch deutlicher. “Wenn die Politik nicht eingreift, ist das Ergebnis schon jetzt klar: Dann lässt sich eine gleichstellungspolitische Rolle rückwärts nicht mehr vermeiden und das Heimchen am Herd ist zurück”, sagte Hannack.
Quelle: AFP