Die EU-Mindestlöhne sind zum Jahresbeginn nach Berechnungen der Hans-Böckler-Stiftung deutlich schwächer gestiegen als vor der Corona-Krise. 17 von 21 betroffenen EU-Staaten hoben ihre Lohnuntergrenze zum 1. Januar im Mittel – dem sogenannten Median – um 3,1 Prozent an, wie die Stiftung am Freitag mitteilte. Inflationsbereinigt blieb demnach eine Anhebung um 1,6 Prozent. 2020 hatte der nominale Anstieg 6,1 Prozent betragen, der reale 4,5 Prozent.
Zwar hätten bis auf Estland, Griechenland und Spanien alle EU-Länder mit gesetzlichen Lohnuntergrenzen diese Mindestlöhne innerhalb eines Jahres angehoben, doch oft “vergleichsweise schwach”, erklärte die gewerkschaftsnahe Stiftung. Die prozentual stärksten Zuwächse verzeichneten demnach “wie in den Vorjahren die meisten mittel- und osteuropäischen EU-Länder”.
Nach einer Anhebung um nominal 1,6 Prozent liegt Deutschland mit einem Mindestlohn von 9,50 Euro pro Stunde aktuell im EU-Vergleich auf dem sechsten Platz, wie aus dem Mindestlohnbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Böckler-Stiftung hervorgeht. Luxemburg hat demnach den EU-weit höchsten Mindestlohn von 12,73 Euro. Dahinter folgen die Niederlande (10,34 Euro), Frankreich (10,25 Euro), Irland (10,20 Euro) und Belgien (9,85 Euro).
Trotz unterschiedlicher Lebenshaltungskosten in Europa und der Erhöhung auf 9,60 Euro in Deutschland zum zweiten Halbjahr liegt die Bundesrepublik in Westeuropa weiter zurück. “Wer in Deutschland zum Mindestlohn bezahlt wird, profitiert etwas vom im westeuropäischen Vergleich niedrigeren Preisniveau”, erklärten die Forscher. “Allerdings bleibt seine Kaufkraft trotzdem hinter der von Mindestlohnempfängern in Luxemburg, Frankreich, den Niederlanden und Belgien zurück.”
Die Stiftung fordert seit längerem einen Stundenlohn von mindestens zwölf Euro in Deutschland. Das entspreche 60 Prozent des mittleren Lohns und bringe “keine relevanten negativen Beschäftigungseffekte”, betonte sie am Freitag. 6,8 Millionen Menschen würden hierzulande von einer solchen Erhöhung profitieren
Quelle: AFP