Viereinhalb Jahre Haft für Mitangeklagten in Prozess um Staatsfolter in Syrien

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Im weltweit ersten Prozess um Mord und Folter durch den syrischen Staat hat das Oberlandesgericht Koblenz sein erstes Urteil gesprochen. Das Gericht verurteilte den Mitangeklagten Eyad A. am Mittwoch wegen Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter und schwerwiegender Freiheitsberaubung zu viereinhalb Jahren Haft. Die Bundesanwaltschaft hatte fünfeinhalb Jahre Haft gefordert, die Verteidigung einen Freispruch. Der Haftbefehl gegen A. bleibt bestehen. Sein Anwalt kündigte an, Revision einlegen zu wollen.

Gegen den Hauptangeklagten Anwar R. wird voraussichtlich bis zum Herbst weiter verhandelt. Das Verfahren gegen beide Angeklagte wurde in der vergangenen Woche aufgespalten. Laut Anklage sollen A. und R. dem syrischen Geheimdienst von Machthaber Baschar al-Assad angehört haben.

A. war nach Ansicht des Senats Mitarbeiter einer Unterabteilung und begleitete im September oder Oktober 2011 den Transport von 30 festgenommenen Demonstranten, die bereits auf der Fahrt zum Al-Kathib-Gefängnis geschlagen wurden. Nach Überzeugung des Gerichts wusste A. bei der Festnahme der Menschen von der systematischen Folter in dem Gefängnis.

Bei der Ankunft der Gefangenen auf dem Gefängnishof fand regelmäßig eine sogenannte Willkommensparty statt. Dabei wurden die Gefangenen von jedem Wärter mit den Fäusten oder Gegenständen geschlagen. Der Senat habe nicht feststellen können, dass A. selbst Gefangene geschlagen habe.

“Die Zustände in den Zellen waren katastrophal”, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Kerber. Sie seien derart überbelegt gewesen, dass Gefangene nur in Schichten hätten sitzen können. “Die Gefangenen konnten zu jeder Tages- und Nachtzeit die Schreie der Gefolterten hören.”

Verletzungen seien nur geringfügig behandelt worden. Zu den Foltermethoden zählten nach Ansicht des Senats unter anderem Stromschläge, Schläge mit Kabeln und Schläuchen sowie Schläge auf die Fußsohlen.

Kerber verwies in der Urteilsbegründung auf die bereits 1996 begonnene langjährige Tätigkeit von A. für den syrischen Geheimdienst, wo er als Ausbilder die körperliche Ertüchtigung überwacht habe. Seine Selbstbeschreibung sei gewesen: “Man muss die Leute zwingen, dass sie mehr ertragen.” Folter gegen Oppositionelle sei bereits unter der Herrschaft von Assads Vater Hafiz al-Assad wesentlicher Bestandteil des Machterhalts gewesen.

Ab 2004 habe A. eine Fortbildung in Terrorismusbekämpfung gemacht, habe gelernt, Hinterhalte zu bekämpfen beziehungsweise sie selbst zu errichten oder Festnahmen vorzunehmen. In Damaskus war A. laut Urteil für vier Stadtviertel verantwortlich. Seine Aufgabe sei dabei gewesen, Moscheen zu überwachen und Imame zu bespitzeln.

Grundlagen des Urteils waren die Aussage A.s bei einer polizeilichen Vernehmung sowie die sogenannten Caesar-Fotos. Ohne die Angaben A.s in der Vernehmung “wäre es nicht zu einer Verurteilung gekommen”, sagte Kerber. Im Prozess äußerte sich A. nicht.

Bei den Fotos handelt es sich um zehntausende Bilder, die ein Überläufer mit dem Decknamen “Caesar” angefertigt hatte. Darauf zu sehen sind getötete Insassen syrischer Gefängnisse. “Diese Bilder werde ich nicht vergessen”, sagte Kerber.

Menschenrechtsorganisationen begrüßten das Urteil. Von einem “wichtigen Signal” und einem “Schritt in Richtung Gerechtigkeit für die syrische Bevölkerung” sprach etwa Amnesty International.

Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte am Mittwoch, das Verfahren sei ein großer Lichtblick, aber auch ein klares Zeichen an die Opfer, “dass ihnen Gerechtigkeit widerfahren soll”. Wer Völkerstraftaten begehe, könne sich nirgends in Sicherheit wiegen.

Der im April 2020 begonnene Koblenzer Prozess war ins Rollen gekommen, nachdem nach Deutschland geflüchtete Opfer ihre mutmaßlichen Peiniger wiedererkannt hatten. Sie berichteten im Prozess detailliert davon, wie sie im Al-Khatib-Gefängnis gefoltert worden waren.

Dass der Prozess in Deutschland stattfindet, liegt am Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Demnach dürfen auch Taten verhandelt werden, die keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben. Die beiden Angeklagten wurden im rheinland-pfälzischen Zweibrücken und in Berlin festgenommen.

Quelle: AFP

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