Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) hat seine von der Opposition scharf kritisierten Entscheidungen rund um die geplatzte Pkw-Maut erneut verteidigt. Er habe rechtens und “nach bestem Wissen und Gewissen” gehandelt, sagte Scheuer am Donnerstag vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Bei seinem Amtsantritt habe er den klaren Auftrag vorgefunden, ein politisch bereits beschlossenes und in Kraft getretenes Gesetz umzusetzen.
Der Untersuchungsausschuss soll die Vorgänge rund um die sogenannte Infrastrukturabgabe aufarbeiten, die der Europäische Gerichtshof (EuGH) im Juni 2019 auf Klage Österreichs als diskriminierend kippte. Scheuer hatte zu diesem Zeitpunkt bereits Verträge mit Betreiberfirmen zur Erhebung der Maut geschlossen. Direkt nach dem EuGH-Urteil kündigte der Minister die Verträge. Ob und in welchem Umfang daraus Schadenersatzansprüche der Unternehmen resultieren, wird derzeit in einem Schiedsgerichtsverfahren verhandelt; die Unternehmen fordern 560 Millionen Euro.
Die Entscheidung, die Verträge schon Ende 2018 zu unterzeichnen, also noch bevor endgültige Rechtssicherheit bestand, rechtfertigte Scheuer am Donnerstag erneut. Der Verkehrsminister betonte, dass das Projekt von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Ministerium umfassend geprüft und “mit höchster Professionalität” vorangetrieben worden sei.
Zudem verwies er auch auf die Einschätzung des EuGH-Generalanwalts, der die Maut im Februar 2019 für rechtmäßig befunden hatte und dessen Schlussanträgen das Gericht in vielen Fällen folgt. Dass das Urteil des EuGH bei der Maut aber schließlich anders ausfiel, erlebte Scheuer nach eigenen Worten als “niederschmetternd”. Das Urteil habe im Ministerium alle “vollkommen überrascht”, sagte er vor dem Ausschuss.
Bei der Vertragsunterzeichnung Ende 2018 habe er eine Abwägungsentscheidung im Sinne der Interessen des Bundes getroffen – denn die Mittel aus der Maut hätten möglichst bald dem Haushalt zur Verfügung stehen sollen. Er habe sich entschieden, das Projekt voranzutreiben und nicht wegen eines “minimalen Restrisikos” Einnahmeausfälle in dreistelliger Millionenhöhe in Kauf zu nehmen. Er sei sicher gewesen, “die richtige Entscheidung” zu treffen”, sagte Scheuer. Auch heute stehe er dazu.
Zugleich ließen ihn die Entwicklungen nach dem EuGH-Urteil und die seither erhobenen Vorwürfe “nicht unberührt”, sagte Scheuer. Diese Kritik nehme er an, sofern sie sachlich sei.
Bei einer ersten Befragung Scheuers vor dem Ausschuss Anfang Oktober hatte der Minister Angaben von Vertretern der Betreiberfirmen widersprochen, wonach es von diesen ein Angebot gegeben habe, mit der Unterzeichnung der Verträge auf das EuGH-Urteil zu warten.
Die Opposition, die Scheuer unter anderem Verstöße gegen Haushalts- und Vergaberecht vorwirft und wiederholt Rücktrittsforderungen erhoben hat, sieht ihre Kritik durch die erneute Zeugenaussage des Ministers indes nicht entkräftet. Der FDP-Obmann im Untersuchungsausschuss, Christian Jung, kritisierte, Scheuer habe bei wichtigen Fragen “ausweichend” geantwortet.
Der Obmann der Union im Ausschuss, Ulrich Lange (CSU), zog hingegen das Fazit, dass sich die Vorwürfe gegen Scheuer “an keiner Stelle bestätigt” hätten. “Wir sehen tatsächlich den Minister als eindeutig entlastet an”, sagte er.
Kirsten Lühmann, Obfrau der SPD, äußerte sich “erstaunt” darüber, dass der Verkehrsminister für sein “Leuchtturmprojekt” angeblich sehr wenig Informationen bekommen habe und dass er immer wieder auf seinen damaligen Staatssekretär verwiesen und damit die Verantwortung an die nächstniedrige Stelle abgegeben habe. Es bestätige sich der Eindruck vorangegangener Zeugenbefragungen des Untersuchungsausschusses, dass es eine “organisierte Verantwortungslosigkeit” gegeben habe.
Quelle: AFP