Kurz vor der erwarteten Zulassung eines weiteren Corona-Impfstoffs zeichnet sich ab, dass das Produkt des Herstellers Astrazeneca in Deutschland voraussichtlich nur an Menschen unter 65 Jahren verabreicht werden soll. Das geht aus einem am Donnerstag bekannt gewordenen Empfehlungsentwurf der Ständigen Impfkommission (Stiko) hervor. Aus Sorge vor mutierten Coronavirus-Varianten drängt Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) darauf, die Einreise aus besonders betroffenen Ländern rasch zu untersagen.
In dem Stiko-Entwurf für eine Impfempfehlung heißt es, das Astrazeneca-Präparat solle in den einzelnen Stufen, die die Priorisierung festlegen, “jeweils nur den Personen angeboten werden, die 18-64 Jahre alt” sind. Begründet wird dies damit, dass zur Beurteilung der Impfeffektivität ab 65 Jahren “aktuell keine ausreichenden Daten” vorlägen. “Abgesehen von dieser Einschränkung wird dieser Impfstoff ebenfalls als gleichermaßen geeignet angesehen”, hieß es weiter.
Der Astrazeneca-Impfstoff ist in der EU noch nicht zugelassen. Die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA könnte am Freitag grünes Licht geben. In der Europäischen Union zugelassen sind bislang die Vakzine der Mainzer Firma Biontech und ihres US-Partners Pfizer sowie jenes des US-Konzerns Moderna. Diese Impfstoffe werden auch an über 65-Jährige verimpft.
Ein Sprecher des britisch-schwedischen Unternehmens Astrazeneca sagte am Nachmittag, die jüngsten klinischen Daten hätten gezeigt, dass der in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford hergestellte Impfstoff auch bei über 65-Jährigen wirksam sei. Auch der britische Premierminister Boris Johnson sagte, die britischen Gesundheitsbehörden hätten den Impfstoff als “sehr gut und wirksam” bewertet. Das in Großbritannien bereits zugelassene Vakzin wird dort in allen Altersgruppen verimpft.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verwies darauf, dass die kleinere Datengrundlage bei älteren Menschen seit Herbst bekannt sei. Es seien “nicht schlechte Daten, sondern zu wenige Daten”, sagte der Minister.
Über die Corona-Impfungen beraten Bund und Länder am kommenden Montag, wie ein Regierungssprecher mitteilte. An dem Gespräch nehmen neben weiteren Mitgliedern der Bundesregierung auch Vertreter der Impfstoffhersteller sowie der betreffenden Verbände teil.
Spahn schrieb im Kurzbotschaftendienst Twitter: “Wir gehen bei der Knappheit des Impfstoffes noch durch mindestens zehn harte Wochen.” Er wolle wissen, “welche Kooperationen der Industrie untereinander es bereits gibt – und wo wir noch unterstützen können”.
Nach Angaben von Bundesinnenminister Seehofer plant die Bundesregierung, rasch die Einreise aus Ländern mit einem starken Vorkommen der mutierten Coronavirus-Varianten zu untersagen. Betroffen davon wären vorerst Großbritannien, Portugal, Südafrika und Brasilien, sagte Seehofer vor Beratungen mit seinen EU-Kollegen. Weitere Länder könnten je nach Entwicklung hinzukommen.
Die Pläne seien zwischen den Bundesministerium derzeit in der Ressortabstimmung, die bis Freitag abgeschlossen werden solle, sagte Seehofer. Ziel sei es, “aus diesen Ländern – also Mutationsgebieten – die Einreise zu untersagen”. Es würden noch Ausnahmen für bestimmte Gruppen diskutiert. Dazu könnten deutsche Staatsbürger und Menschen gehören, die im Güterverkehr arbeiten.
Die sogenannte Sieben-Tage-Inzidenz bei der Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland fiel erstmals seit drei Monaten wieder unter die Marke von 100. Nach Angaben des Robert-Koch-Instituts (RKI) sank der Wert am Donnerstag auf 98. Zuletzt hatte die Zahl der Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern binnen einer Woche am 29. Oktober unter 100 gelegen. Die Zahl der neu gemeldeten Infektionen lag bei 17.553.
Die Sieben-Tage-Inzidenz ist ein wesentlicher Maßstab von Bund und Ländern für die Verhängung und Lockerung von Corona-Restriktionen. Ziel der Bundesregierung ist es, den Wert auf unter 50 zu drücken.
Quelle: AFP