Der Kreml-Kritiker Alexej Nawalny ist kurz nach seiner Rückkehr aus Deutschland im Eilverfahren zu 30 Tagen Haft verurteilt worden. Der Oppositionelle müsse nach seiner Festnahme am Sonntag in Moskau bis zum 15. Februar in Arrest bleiben, erklärte Nawalnys Anwalt Wadim Kobsew am Montag auf Twitter. Bei Protesten gegen seine Festnahme wurden dutzende Menschen festgenommen.
Nawalny wird vorgeworfen, gegen die Auflagen einer Bewährungsstrafe verstoßen zu haben. Bei einem weiteren Gerichtstermin am 2. Februar drohe ihm deshalb eine weitere Haftstrafe, sagte seine Anwältin Olga Michailowa zu Journalisten.
“Habt keine Angst, geht auf die Straße – nicht für mich, sondern für euch, für eure Zukunft”, appellierte der 44-Jährige in einem Video, das kurz nach der Gerichtsentscheidung auf Youtube veröffentlicht wurde. Am Samstag seien Massendemonstrationen geplant, schrieb der Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow auf Twitter.
In Sankt Petersburg wurden bei Protesten von Nawalny-Unterstützern nach Angaben der Nichtregierungsorganisation OWD Info mindestens 46 Menschen festgenommen.
Nawalny war am Sonntag von Berlin aus nach Moskau geflogen. Noch am Flughafen Scheremetjewo wurde er festgenommen und in das Polizeirevier von Chimki, einem Vorort der Hauptstadt, gebracht. Dort wurde am Montag eilig eine Gerichtsanhörung über seine weitere Inhaftierung anberaumt.
Seine Anwälte erhielten erst nach Beginn der Anhörung Akteneinsicht und konnten sich auch erst dann mit ihrem Mandanten beraten. Auf Antrag der Staatsanwaltschaft ordnete das Gericht schließlich 30 Tage Haft für den bekanntesten Kritiker von Präsident Wladimir Putin an.
Nawalny wurde daraufhin ins Matrosskaja-Tischina-Gefängnis in Moskau gebracht. Die Haftanstalt erlangte traurige Bekanntheit, weil dort bereits mehrfach Gefangene in Untersuchungshaft gestorben waren, darunter der Jurist Sergej Magnizki Ende 2009.
Nawalny bezeichnete den Prozess als “Gipfel der Rechtlosigkeit”. Er verstehe nicht, wie eine Gerichtsanhörung in einem Polizeigebäude stattfinden könne und weshalb die Behörden darüber erst in letzter Minute informiert hätten, erklärte der sichtlich ungläubige Nawalny in einem von seinem Team veröffentlichten Video.
“Ich habe oft gesehen, wie der Rechtsstaat ins Lächerliche gezogen wird, aber der alte Mann in seinem Bunker fürchtet sich inzwischen so sehr, dass (der russische Strafprozesskodex) jetzt zerrissen und weggeworfen wird”, sagte der 44-Jährige in Anspielung auf Präsident Wladimir Putin.
Die russischen Behörden hatten Nawalnys Festnahme damit begründet, dass er während seines Aufenthalts in Deutschland wiederholt gegen seine Bewährungsauflagen verstoßen habe, sich zweimal monatlich bei den Behörden zu melden.
Nawalny war im August in Sibirien Opfer eines Giftanschlags geworden. Er wurde nach Deutschland ausgeflogen und in der Berliner Charité behandelt. Der 44-Jährige wirft dem russischen Geheimdienst vor, hinter seiner Vergiftung zu stecken. Die russische Regierung bestreitet jede Beteiligung an dem Anschlag. Wegen eines angeblichen Mangels an Beweisen wurden bislang keine Ermittlungen in dem Fall aufgenommen.
Seine Festnahme rief international Empörung hervor. Die USA, Deutschland, Frankreich, die UNO und die EU hatten vor dem Gerichtsentscheid seine sofortige Freilassung gefordert.
EU-Parlamentspräsident David Sassoli zeigte sich “besorgt” über die Verhaftung von Nawalny. Sie sei “eine Verletzung der Menschenrechte”, sagte Sassoli vor einer Plenarsitzung. Auch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen verurteilte die Festnahme. Mehrere EU-Mitgliedstaaten forderten weitere Sanktionen gegen Russland, falls der Oppositionelle weiter festgehalten werde.
Das UN-Menschenrechtsbüro zeigte sich “zutiefst beunruhigt” und verlangte ebenfalls, Nawalny sofort auf freien Fuß zu setzen. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg schloss sich den Forderungen beim Online-Dienst Twitter an.
Moskau wies hingegen sämtliche Anschuldigungen zurück. Der Westen versuche mit dem Angriff auf Russland lediglich, “von der tiefen Krise des liberalen Entwicklungsmodells abzulenken”, erklärte Außenminister Sergej Lawrow.
Quelle: AFP