Acht Monate vor der Bundestagswahl hat die CDU ihre offene Führungsfrage geklärt: Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet tritt als Parteichef die Nachfolge von Annegret Kramp-Karrenbauer an. Er ließ nach seiner Wahl auf dem digitalen Bundesparteitag zunächst offen, ob er auch Kanzlerkandidat werden will. Diese Frage will Laschet im Frühjahr mit der CSU klären. Die Entscheidung über den CDU-Vorsitz fiel in einer Stichwahl zwischen Laschet und Friedrich Merz, der damit auch mit seiner zweiten Kandidatur für den Spitzenposten scheiterte.
Bei dem Parteitag gab es vereinzelte Missklänge: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief viel Kritik mit einem als unglücklich empfundenen Rede-Auftritt hervor, bei dem er für Laschet warb. Bei der Wahl zum CDU-Vizechef wurde er dann mit einem schwachen Ergebnis abgestraft. Der frühere Unionsfraktionschef Merz sorgte für Unruhe, als er sich nach seiner Niederlage für den Posten des Bundeswirtschaftsministers anbot.
Mit Laschets Wahl setzt die CDU inhaltlich auf Kontinuität. In seiner Bewerbungsrede hatte sich der 59-Jährige als Mann des Ausgleichs präsentiert, der als Chef der Bundes-CDU den Kurs der Mitte fortsetzen wolle. Der dritte Bewerber, Norbert Röttgen, war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden. In der Stichwahl erhielt Laschet 521 Stimmen, für Merz votierten 466 Delegierte. Das Ergebnis der Digital-Abstimmung muss noch in einer Briefwahl bestätigt werden.
“Ich höre immer wieder den Satz: Man muss auch polarisieren können”, sagte Laschet in seiner Bewerbungsrede für den Parteivorsitz. “Ich sage: Nein, das muss man nicht. Polarisieren ist einfach, das kann jeder.” Er wolle “integrieren, die Gesellschaft zusammenhalten”.
Laschet bot seinem unterlegenen Rivalen Merz an, ihn in die Arbeit der CDU einzubinden. Merz lehnte ein Parteiamt aber ab. Stattdessen machte er am Samstag per Twitter öffentlich, dass er Laschet angeboten habe, als Bundeswirtschaftsminister ins Kabinett einzutreten. Kanzlerin Merkel ließ Merz’ Angebot zurückweisen.
Laschet sagte im ZDF zu Merz’ Kabinettsambitionen: “Das steht heute nicht an.” Er habe Merz einen Posten im Parteipräsidium angeboten: “Da wollte er nicht rein.” Anders als Merz ließ sich der unterlegene Bewerber Röttgen ins Präsidium wählen.
Kritik an Merz kam von Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU): “Es ist falsch, dass der unterlegene Bewerber auf ein Parteiamt nun ein Staatsamt verlangt”, sagte Günther den “Lübecker Nachrichten”.
Einen Dämpfer auf dem Parteitag erhielt Gesundheitsminister Spahn. Der als ambitioniert geltende 41-Jährige wurde mit dem schlechtesten Ergebnis aller fünf Vizechefs gewählt.
Ihm wurde offenbar verübelt, dass er sich beim Parteitag in einer Delegierten-Fragerunde mit den Vorsitzbewerbern zu Wort meldete und dann keine Frage stellte, sondern einfach eine Werbe-Rede für Laschet hielt – Spahn war mit Laschet als Team angetreten. In Merz’ Lager war von einem “Foulspiel” Spahns die Rede. Laschet verteidigte den Gesundheitsminister: Er habe Spahns Auftritt “in Ordnung” gefunden.
Die Frage der Kanzlerkandidatur blieb weiter offen. Zu eigenen Ambitionen äußerte Laschet sich zunächst nicht: Er werde im März mit CSU-Chef Markus Söder “sicher einen gemeinsamen, guten Vorschlag” machen. Söder wollte sich im ZDF nicht darauf festlegen, dass Laschet als CDU-Chef der “natürliche Kanzlerkandidat” der Union sei. Laschet sei “der natürliche Parteivorsitzende der CDU”, sagte Söder lediglich.
Der Koalitionspartner SPD gratulierte Laschet zur Wahl. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erklärte, es sei “gut, dass die Führungsfrage innerhalb der CDU nun erstmal geklärt ist”. Die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und Robert Habeck forderten Laschet auf, den Kurs der CDU “nach der Ära Merkel neu zu definieren”. FDP-Chef Christian Lindner sah mit Laschets Wahl die Chancen für Schwarz-Gelb im Bund wachsen. Linken-Chef Bernd Riexinger warf Laschet vor, keinen politischen Kompass zu haben.
Quelle: AFP