Die umstrittene Gas-Pipeline Nord Stream 2 darf ab sofort weitergebaut werden – wann die noch fehlenden Rohrleitungen verlegt werden, ist aber noch unklar. Nachdem das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) am Freitag grünes Licht für einen sofortigen Weiterbau in deutschen Gewässern gab, kündigte die Deutsche Umwelthilfe eine Klage dagegen an. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) bekräftigte unterdessen das “große Interesse” der Bundesregierung, mit der neuen US-Regierung von Joe Biden auch über das Thema Nord Stream 2 zu sprechen.
Die Pipeline soll das Potenzial für russische Gaslieferungen nach Deutschland deutlich erhöhen, schürt aber Spannungen sowohl innerhalb der EU als auch zwischen Umweltschützern und Befürwortern und nicht zuletzt mit den USA. Die US-Regierung von Präsident Donald Trump lehnt den Bau der Pipeline entschieden ab und verhängte bereits Ende 2019 Sanktionen gegen die Betreiber von Verlegeschiffen; außerdem drohte Washington weitere Sanktionen gegen beteiligte Firmen an.
Die Verlegearbeiten waren deshalb im Dezember 2019 ausgesetzt worden. Derzeit ist die Pipeline nach Angaben der Betreibergesellschaft Nord Stream 2 AG, an der neben dem russischen Energieriesen Gazprom auch Uniper und Wintershall aus Deutschland, der französische Konzern Engie, der britisch-niederländische Konzern Shell sowie OMV aus Österreich als Finanzinvestoren beteiligt sind, zu 94 Prozent fertiggestellt. Demnach sind noch etwa 120 Kilometer Pipeline in dänischen und etwas über 30 Kilometer in deutschen Gewässern zu verlegen.
Das BSH verwies am Freitag darauf, dass “aufgrund unvorhersehbarer Verzögerungen” außerhalb deutscher Gewässer eine Erweiterung des Zeitfensters für den Pipelinebau erforderlich geworden sei. Dieses erweiterte Zeitfenster genehmigte die Behörde nun. Damit muss die Betreibergesellschaft nicht mehr bis Ende Mai mit dem Weiterbau in deutschen Gewässern warten. Zugleich begrenzte das BSH zum Schutz von Seevögeln die Bauarbeiten im Zeitraum bis Ende Mai auf maximal 30 Tage pro Bauphase, der jeweils eine 14-tägige Pause folgen muss.
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) kritisierte die Entscheidung scharf und kündigte Klage an. Ein Weiterbau der Pipeline mitten im Winter stelle eine “massive Störung in einem der bedeutendsten Winterrastgebiete für Zugvögel in der gesamten Ostsee dar”. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt beklagte, mit der Genehmigung würden Klimaschutz- und Naturschutzbedenken ignoriert.
Der wirtschaftspolitische Sprecher der Linksfraktion, Klaus Ernst, erklärte, dass die bisherigen Baugenehmigungen ausgelaufen seien, sei den “völkerrechtswidrigen Sanktionsdrohungen der USA zuzuschreiben”. Dies habe die Fertigstellung der Pipeline verzögert und den Zusatzaufwand verursacht.
Unklar ist auch, wann die Betreibergesellschaft in dänischen Gewässern die seit Freitag von den dortigen Behörden erlaubten Arbeiten zur Fertigstellung der Pipeline wieder aufnimmt. “Wir werden voraussichtlich erst Ende Januar oder Anfang Februar genauer abschätzen können, wann wir beginnen, Rohre zu verlegen”, sagte ein Sprecher des Unternehmens dem “Handelsblatt”.
Die Unterbrechung der Verlegearbeiten könnten Raum für eine politische Annäherung zwischen den USA und Deutschland schaffen. Der US-Außenpolitiker Nicholas Burns, der Biden im Wahlkampf beraten hatte, schlug vor, dass nicht nur der Bau, sondern auch die US-Sanktionen temporär gestoppt werden, um den Konflikt zu entschärfen, wie er dem “Handelsblatt” sagte. Das würde seinen Angaben zufolge der neuen US-Regierung die Gelegenheit geben, “vertraulich und besonnen mit der deutschen Regierung und den anderen beteiligten Ländern zu sprechen”.
Bundesaußenminister Maas verwies am Freitag in Berlin darauf, dass in den USA in der Sanktionsfrage im Dezember die Entscheidung getroffen worden sei, “dass es vor weiteren Sanktionen zu Konsultationen auf Regierungsebene” komme. “Das halten wir für eine positive Entscheidung”, sagte er. “Und natürlich wollen wir, sobald die neue Administration im Amt ist, mit den Kolleginnen und Kollegen in Washington auch über dieses Thema sprechen.”
Quelle: AFP