EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton sieht die Ereignisse um den Sturm auf das US-Kapitol als Beleg für die Notwendigkeit, Online-Netzwerke stärker zu regulieren. Der Vorfall offenbare “die Zerbrechlichkeit unserer Demokratien – und die Bedrohung, die unterregulierte Tech-Unternehmen für ihr Überleben darstellen können”, schrieb Breton in einem Gastbeitrag vom Montag. Er äußerte dabei auch Zweifel, ob die Social-Media-Firmen alleine die Macht haben sollten, Konten eines US-Präsidenten zu sperren.
“Die Unruhen der letzten Woche markieren den Höhepunkt jahrelanger Hassreden, Anstiftung zur Gewalt, Desinformation und Destabilisierungsstrategien, die sich ungehemmt über bekannte soziale Netzwerke verbreiten durften”, schrieb Breton in dem Gastbeitrag, der unter anderem vom Portal “Politico” veröffentlicht wurde. Sie hätten das US-Dogma zu Fall gebracht, “das Social-Media-Unternehmen Immunität vor zivilrechtlicher Haftung für von ihren Nutzern gepostete Inhalte gewährt”.
Die Online-Plattformen müssten sich die Frage gefallen lassen, warum sie es nicht geschafft hätten, “die Fake News und Hassreden, die zu dem Angriff am Mittwoch führten, von vornherein zu verhindern”, schrieb der Franzose. Denn “was online passiert, bleibt nicht nur online: Es hat – und verschlimmert sogar – auch Konsequenzen im echten Leben.”
Mit der Sperrung von Konten von US-Präsident Donald Trump durch Twitter oder Facebook hätten die Online-Unternehmen ihre Verantwortung erkannt, “die Verbreitung illegaler viraler Inhalte zu verhindern”, schrieb der Breton weiter. Es sei aber gleichzeitig “verblüffend”, dass ein Unternehmenschef dem US-Präsidenten “ohne jegliche Kontrolle den Stecker ziehen kann”.
Insgesamt hätten die vergangenen Tage “mehr denn je deutlich gemacht, dass wir nicht tatenlos zusehen und uns auf den guten Willen dieser Plattformen oder eine geschickte Auslegung der Gesetze verlassen können”, schrieb Breton. “Wir müssen die Spielregeln festlegen und den digitalen Raum mit klaren Rechten, Pflichten und Sicherheitsvorkehrungen organisieren.”
Breton verwies dabei auf die jüngsten Reformvorschläge der EU-Kommission, um Online-Plattformen stärker in die Pflicht zu nehmen. Ein im Dezember vorgestellter Gesetzentwurf zu digitalen Diensten soll den Betreibern vorschreiben, konsequent gegen Hass- und Falschnachrichten, terroristische Inhalte und Kinderpornographie vorzugehen und dabei eng mit den nationalen Behörden zusammenzuarbeiten. Bei Verstößen drohen den Unternehmen hohe Strafen.
Breton regte an, bei dem europäischen Vorgehen die neue US-Regierung unter dem künftigen Präsidenten Joe Biden an Bord zu holen. Er schlug einen Dialog mit Washington vor, “der zu global kohärenten Prinzipien führt”.
Quelle: AFP