Der Einzelhandel pocht bei einem harten Corona-Lockdown auf Entschädigungen, wie sie anderen Branchen seit November gewährt werden. “Wenn es zum Lockdown kommt, kann man uns eine entsprechende Entschädigung nicht versagen, das verlangt die Gleichbehandlung”, sagte der Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Bayern, Wolfgang Puff, der “Augsburger Allgemeinen” vom Freitag. Grundlage für Entschädigungsleistungen im Handel müsse der Rohertrag sein, forderte er.
“Sollten alle Geschäfte im Nonfood-Bereich geschlossen werden, drohen gewaltige Umsatzausfälle”, sagte Puff. Im gesamten Bundesgebiet sei mit Ausfällen in siebenstelliger Höhe zu rechnen.
Bereits der Teil-Lockdown im November und Dezember kostet nach Berechnungen des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln bis zu 16,9 Milliarden Euro. Datenanalyst Henry Goecke und Wettbewerbsökonom Christian Rusche verglichen die Passantenzahlen von 40 Straßenabschnitten in 21 deutschen Städten mit den Vorjahreswerten, wie die Funke Mediengruppe berichtete. Im November stellten die Forscher demnach einen Rückgang bei den Passanten in den Innenstädten um knapp 44 Prozent fest, im Dezember um knapp 49 Prozent. Für die Hochrechnungen für den Dezember wurde die Kundenfrequenz in der ersten Adventswoche zugrunde gelegt.
“Sollte der Einzelhandel zeitnah schließen müssen, ist der wirtschaftliche Schaden im Dezember nochmal größer. Dann ist von verpassten Umsätzen in den Innenstädten von circa zwölf Milliarden Euro auszugehen”, sagte Rusche den Funke-Zeitungen. Für den Fall, dass der Einzelhandel mit Beginn der Weihnachtsfeiertage dicht machen muss, rechnet der Ökonom mit einem Schaden von bis zu zehn Milliarden Euro im Dezember.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte dem “Handelsblatt”, den Einzelhandel “pauschal in ganz Deutschland zu schließen, hielte ich für falsch”. Das Infektionsgeschehen stelle sich beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern ganz anders dar als in Sachsen. Der Einzelhandel habe “schon viel gelitten und sollte auf jeden Fall noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen können”. Wenn die Politik schärfere Maßnahmen ins Auge fasse, sollte sie vor allem über die Zeit nach Feierabend nachdenken, also beispielsweise private Feiern weiter einschränken, empfahl Dulger.
Auch der Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), warnte vor den negativen Folgen für den Handel bei einer Verschärfung von Corona-Maßnahmen. Eine drohende Schließung im Dezember “hätte bei oft mittelständischen Häusern dramatische Auswirkungen. Vor allem bei Unternehmen mit modischer Ware”, sagte der Parlamentarische Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium dem “Handelsblatt”.
Bareiß betonte die Bedeutung des Einzelhandels für die Innenstädte. “Die Corona-Pandemie entwickelt sich zum beispiellosen Konjunkturprogramm für die großen Online-Händler”, sagte er. Die Politik habe hier “eine große Verantwortung, die in Europa fast stationäre Struktur zu sichern”. Der Einzelhandel habe auch eine wichtige Funktion für attraktive Innenstädte. “Wir können diese Unternehmen nicht im Regen stehen lassen.”
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