Chemnitz soll für Deutschland Kulturhauptstadt Europas 2025 werden. Die frühere Industriestadt in Sachsen setzte sich im Rahmen eines von den Kulturministern der Bundesländer organisierten Verfahrens gegen die vier Konkurrenten Hannover, Hildesheim, Magdeburg und Nürnberg durch, wie die für die Auswahl zuständige europäische Jury am Mittwoch bekanntgab. Chemnitz ist damit die dritte deutsche Kulturhauptstadt Europas.
“Dieser Titel ist für Chemnitz die große Chance, viel zu geben und viel zu bekommen”, erklärte die scheidende Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig (SPD) nach der Bekanntgabe. Sie erinnerte in diesem Zusammenhang an die rechtsextremen Demonstrationen und Ausschreitungen, die die Stadt im August 2018 international in die Schlagzeilen gebracht hatten.
Chemnitz könne durch den Titel zeigen, dass es nicht nur für “Bilder von Nazi-Aufmärschen” stehe, sondern “eine aktive, vielfältige Stadtgesellschaft im internationalen Austausch” sei, betonte Ludwig. “Der Titel wird der Stadt einen Schub geben.”
Die Empfehlung des Auswahlgremiums bildet die Grundlage für die finale Entscheidung der Kulturminister von Bund und Ländern, die bis zum Jahresende fallen soll. Das Kulturhauptstädteprogramm ist eine EU-Initiative, mit der die Verbundenheit zur europäischen Kultur gefördert und deren Vielfalt verdeutlicht werden soll. Pro Jahr gibt es zwei Kulturhauptstädte aus zwei Mitgliedsstaaten.
Welche Länder in welchem Jahr gemeinsam die Kulturhauptstädte benennen dürfen, wird lange vorab festgelegt. 2025 sind dies Slowenien und Deutschland. Die Entscheidung über die slowenische Partnerstadt erfolgt nach Angaben der EU im Dezember.
Im Jahr 1988 war das damalige West-Berlin europäische Kulturhauptstadt. 2010 ging die Auszeichnung an Essen im Rahmen einer Gemeinschaftsbewerbung mit dem ganzen Ruhrgebiet.
Das Kulturhauptstädteprogramm soll auch die Entwicklung der beteiligten Städte unterstützen. So soll es einen Beitrag zur Stadtentwicklung leisten, den Tourismus beleben und das Ansehen der Städte in den Augen der Bewohner verbessern.
Für das zweistufige nationale Auswahlverfahren ist eine Jury aus Vertretern von EU-Institutionen sowie Mitgliedsstaaten zuständig. Anfangs bewarben sich acht deutsche Städte. Hannover, Hildesheim, Magdeburg, Chemnitz und Nürnberg schafften es in die zweite Runde und reichten dabei noch einmal genauere Bewerbungskonzepte ein.
Die Vorsitzende der Jury, die österreichische Kulturexpertin und Kreativberaterin Sylvia Amann, dankte allen Bewerberstädten für ihre “herausragenden Leistungen” im Bewerbungsverfahren und rief auch die unterlegenen Kandidaten auf, ihr Engagement für Kultur und Europa fortzusetzen. “Europa braucht mehr denn je ein Klima der Offenheit und Solidarität”, sagte sie. Kultur sei dabei auch ein Mittel zur Bewältigung der großen aktuellen Herausforderungen.
Das Kulturhauptstadtprogramm wurde Mitte der 80er Jahre ins Leben gerufen. Zunächst gab es eine Kulturhauptstadt pro Jahr. Später wurde diese Regel geändert, um dem gesamteuropäischen Gedanken mehr Raum zu geben. Heute gibt es zwei Kulturhauptstädte. Zuletzt öffnete die EU das Verfahren zusätzlich weiter für Bewerber aus Partnerstaaten und potenziellen Beitrittsländern. In manchen Jahren wird es deshalb drei Kulturhauptstädte geben. In diesem Jahr tragen Rijeka (Kroatien) und Galway (Irland) den Titel.
© Agence France-Presse