Frau Albsteiger, Sie sind seit Mai 2020 als Oberbürgermeisterin in Neu-Ulm tätig. Was hat sich in den vergangenen Monaten sowohl beruflich als auch privat verändert?
Beruflich ist natürlich viel passiert. Ich habe mehr Verantwortung und mehr Gestaltungs- spielräume. Allerdings engagiere ich mich bereits seit fast 20 Jahren in der Politik – vier davon habe ich hauptberuflich im Bundestag verbracht. Ich würde behaupten, dass ich relativ genau wusste, worauf ich mich einlasse. Viele Themen sind mir bereits vertraut, wenn auch nicht immer in dieser Tiefe, wie ich sie jetzt bearbeiten darf. Privat hat sich nicht so viel verändert. Ich habe auch vorher bereits viel gearbeitet und Politik ehrenamtlich nebenher gemacht. Ich komme auf dieselbe Stundenzahl wie im letzten Jahr, habe aber nicht mehr das Gefühl, mich ständig zwischen Beruf und Hobby zerteilen zu müssen. Die Familie ist natürlich für mich gesetzt.
Sie sind gebürtig aus Ulm. Wäre Ihnen das Amt als OB in Ulm lieber gewesen?
Ja, ich bin in Ulm geboren. Mein Vater kommt vom Eselsberg. Ich hingegen bin in Elchin- gen groß geworden, in Neu-Ulm zur Schule gegangen und habe meine Freizeit auf bei- den Seiten der Donau verbracht. Wer hier aufwächst, ist in beiden Städten zuhause. Für mich hat also auch Neu-Ulms große Schwester immer eine bedeutende Rolle im Leben gespielt. Ich liebe die Doppelstadt, aber ich bin stolze Bayerin und überzeugte Neu-Ulmerin. Also ein ganz klares Nein – ich wäre nicht lieber OB in Ulm. Allerdings ist mir die enge und vertrauensvolle Zusammen- arbeit von Ulm und Neu-Ulm ein echtes Her- zensanliegen.
Von 2003 – 2008 haben Sie an der University of Adelaide in Australien studiert. Was unterscheidet die Australier von uns Deutschen?
Was ich in Down Under gelernt habe, ist das „easy going“. Die Australier sind um Welten entspannter, als die Deutschen. Sich selbst und andere manchmal nicht zu ernst zu neh- men, auch mal ruhig und besonnen zu reagieren, zu akzeptieren, wie die Dinge und die Menschen sind – ohne sie zwanghaft nach eigenen Vorstellungen ändern zu wollen – sowie auch mal über Fehler und Versagen anderer hinwegblicken und verzeihen zu können, sind typische Wesenszüge, die ich aus Australien mitgebracht habe. Für mein Umfeld ist diese Entspanntheit allerdings nicht immer so einfach 🙂
Der Schwörmontag fiel dieses Jahr leider ins ,,Wasser“. Wo hätte man Sie gesichtet? Im Schlauchboot auf der Donau oder vor einer Bühne mit Live Band?
Der Festtag beginnt für mich seit vielen Jahren bei der Schwörrede auf dem Weinhof – selbstverständlich mit Hut. Das Nabada schaue ich mir von der Neu-Ulmer Donauseite aus an. Am Liebsten schlendere ich zwischen Gänstorbrücke und Friedrichsaubrücke hin und her und treffe dort jedes Jahr viele Freunde und Bekannte, ohne sich vorher verabredet haben zu müssen. Im Schrebergarten meiner Schwiegereltern – direkt an der Donau – lassen wir den Tag dann immer mit der ganzen Familie ausklingen.
Den Tag starten Sie mit einem gesunden Smoothie, wie auf Ihrer Website zu lesen ist. Bei der wenigen Zeit, die Sie haben, ist Ihnen eine gesunde Ernährung sehr wichtig. Wie sieht ein Tag, ernährungstechnisch bei Ihnen aus?
Leider bin ich derzeit ernährungstechnisch ganz schlecht aufgestellt. Nach dem positiven und gesunden Start mit dem erwähnten Smoothie, geht’s ab Mittag bergab. Da ich mir die Zeit für eine Pause selten nehme, muss oft Schokolade herhalten. Und da ich meistens erst spät nach Hause komme, wird dann kurz vor dem Schlafengehen noch schnell der Kühlschrank geplündert. Das muss und wird sich nach meinen ersten 100 Tagen im Amt wieder ändern! Dieser Vorsatz steht fest.
Es gibt diverse Politsendungen: Anne Will, Markus Lanz, Maybrit Illner, hart aber fair, um nur einen Teil zu nennen. Welche ist Ihr Favorit?
Ich war vor vielen Jahren selbst mal Talk-Gast bei Anne Will. Aber um ehrlich zu sein, schaue ich überhaupt keine Politiksendung. Wenn ich nach einem langen politischen Arbeitstag nach Hause komme, sehne ich mich nach allem, nur nach keiner Fortsetzung politischer Endlosdiskussionen.
Konnten Sie eine positive Veränderung in der Gesellschaft beobachten seit Covid 19?
Ich habe den Eindruck, dass sehr viele Menschen erkannt haben, dass es wichtig ist, nicht nur Verantwortung für sich selbst, sondern auch für die Mitmenschen zu übernehmen. Die Gesellschaft ist trotz des nötigen physischen Abstands zusammen- gerückt. Wirklich beeindruckt hat mich vor allem die Hilfsbereitschaft vieler Menschen: Innerhalb kürzester Zeit haben sich private und ehrenamtlichen Initiativen gegründet, die in der harten Zeit der Ausgangsbeschränkungen für all diejenigen da waren, die sich nicht selbst versorgen konnten oder durften. Es tut wirklich gut zu wissen, dass der absolut überwiegende Teil der Gesellschaft zusammenhält, wenn es darauf ankommt. Auch wenn die Corona- Pandemie uns allen viel abverlangt, so zeigt sie uns doch auch, was alles möglich ist, wenn es hart auf hart kommt.
Ein zweiter positiver Aspekt der Krise: die Digitalisierung hat Fahrt aufgenommen. Wir alle mussten nach anderen Wegen und Möglichkeiten suchen, miteinander in Kontakt zu kommen und zu bleiben. Egal ob nun beruflich oder aber auch privat. In vielen Schulen wurden beispielswese digitale Lernplattformen genutzt, in Unternehmen wurden Videokonferenzen zur Normalität, wir alle haben gemerkt, dass Telearbeit und Homeoffice eine echte ergänzende Alternative sein können und privat haben Großeltern und Enkel via Facetime miteinander kommuniziert. Ohne Corona wäre vermutlich viel Zeit ins Land gegangen, bis wir all diese Erfahrungen gesammelt und gemacht hätten.
Zum Abschluss ein Blick in die Zukunft: Was wünschen Sie sich für die kommenden Jahre im Amt?
Ich brenne für dieses Amt und die Aufgaben, die es mit sich bringt. Ich wünsche mir einen offenen und interessanten Austausch mit unseren Bürgerinnen und Bürgern und hoffe, dass wir alle – die Verwaltung, die Politik, die Bürgerschaft und ich – gemeinsam viel für unsere Stadt erreichen werden. Dabei wäre es schön, wenn wir gegenseitig mehr Verständnis füreinander aufbringen würden.
(Quelle: Ulm TV Magazin)