Die Verbraucherzentralen fordern ein umfassendes Verbot für Schadstoffe in Lebensmittelverpackungen sowie in Ess- und Kochgeschirr. “Krebserregende, erbgutverändernde oder fruchtbarkeitsschädigende Stoffe haben in Lebensmittelverpackungen nichts zu suchen”, sagte der Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands (vzbv), Klaus Müller, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe vom Mittwoch. Das Ernährungsministerium verwies auf Nachfrage auf das geltende Lebensmittelrecht.
Die Politik müsse hier “dringend handeln und für solche Stoffgruppen klare Verbote aussprechen”, verlangte Müller. Deutschlands oberster Verbraucherschützer bezeichnete es als ein “Armutszeugnis für die Politik”, dass eine solche Forderung überhaupt noch erhoben werden müsse.
Probleme sehen die Verbraucherzentralen konkret bei Weichmachern in Trinkflaschen, Mineralöl in Schokolade oder Formaldehyd in Kaffeebechern. “Phthalate, die als Weichmacher in Kunststoffen eingesetzt werden, sind in Textilien verboten, in Trinkflaschen jedoch weiterhin erlaubt”, kritisierte Müller. Aber auch scheinbar nachhaltige Produktalternativen, wie Coffee-to-go-Becher mit Bambus setzen demnach bei einem Kontakt mit warmen Flüssigkeiten Formaldehyd frei.
Neben einem Verbot bedenklicher Stoffe forderte Müller auch die Einführung eines europäischen Zulassungsverfahrens: “Bei der Gesundheit muss das Vorsorgeprinzip gelten. Bevor Lebensmittelverpackungen und Geschirr auf den Markt gelangen, muss ihre Unbedenklichkeit nachgewiesen und von einer unabhängigen EU-Behörde bestätigt werden.”
Müller forderte die Bundesregierung auf, mit Einfuhrkontrollen und Vorführpflichten den Import potenziell gesundheitsschädlicher Produkte zu verringern. Um die Überwachung zu stärken, plädierte er für mehr Personal und Sachmittel. Die Bundesregierung solle sich zudem für eine “zügige und umfassende Überarbeitung der EU-Verordnung” einsetzen, sagte der vzbv-Vorstand.
Ein Ministeriumssprecher erklärte dazu, die Sicherheit von Lebensmittelverpackungen sei “ein besonderes Anliegen” des Ernährungsministeriums. Allerdings schreibe das EU-Recht bereits vor, dass aus Verpackungen “keine Stoffe in Mengen auf Lebensmittel übergehen dürfen, die die menschliche Gesundheit gefährden”. Gleichwohl müssten “Regelungen ergänzt oder angepasst werden”, wo dies auf Grundlage entsprechender Risikobewertungen erforderlich sei. Als ein Beispiel wurden Bambusprodukte genannt.
“Der Schutz der Verbraucher steht hier an erster Stelle”, betonte der Sprecher weiter. Daher arbeite das Ministerium etwa an nationalen Regelungen zu Druckfarben für Lebensmittelverpackungen sowie für Mineralölbestandteile aus Verpackungen aus Recyclingpapier. Im Grundsatz müssten ansonsten die Lebensmittelunternehmer für die gesundheitliche Unbedenklichkeit ihrer Produkte sorgen. Überprüft werde dies durch die amtliche Lebensmittelüberwachung.
Eine vom Verbraucherzentrale Bundesverband in Auftrag gegebene repräsentative Kantar-Studie zeigt, dass die deutliche Mehrheit der Deutschen gesundheitsschädliche Chemikalien in Lebensmittelverpackungen ablehnt. 93 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass Lebensmittelverpackungen beziehungsweise Koch- oder Essgeschirr keine Schadstoffe enthalten sollten.
Allerdings würden nur 73 Prozent tatsächlich auch auf Produkte, die sie oft nutzen, verzichten, wenn eine relativ geringe Belastung mit gesundheitsschädlichen Chemikalien nachgewiesen werden würde. Jeder Vierte würde die Produkte demnach dennoch weiter konsumieren.
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