Vor dem Treffen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron auf Schloss Meseberg ist die Kritik am geplanten Corona-Wiederaufbaufonds lauter geworden. FDP-Chef Christian Lindner sagte den Funke-Zeitungen vom Montag, „in seiner jetzigen Form“ sei der deutsch-französische Vorschlag für den Wiederaufbau Europas nach der Corona-Krise „nicht zustimmungsfähig“. Merkel und Macron wollen eine Einigung über das hoch umstrittene milliardenschwere Wiederaufbauprogramm bereits beim EU-Sondergipfel am 17. und 18. Juli erreichen.
Die intensive Zusammenarbeit Merkels mit dem französischen Präsidenten habe gerade in letzter Zeit „Früchte getragen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin unter Verweis auf die deutsch-französische Initiative für einen europäischen Wiederaufbaufonds. Nach dem letzten EU-Rat seien „intensive Arbeiten im Gange“, um „Positionen, die jetzt noch auseinanderliegen, zusammenzuführen“. Alle Beteiligten arbeiteten dabei auf das „Zieldatum“ des Sondergipfels am 17. und 18. Juli hin, sagte Seibert.
Im Mai hatten Merkel und Macron nach wochenlangen Verhandlungen eine Initiative für ein beispielloses Konjunkturprogramm für Europa vorgelegt, das den am stärksten von der Corona-Pandemie betroffenen EU-Staaten bei der Überwindung der Krise helfen soll. 500 Milliarden Euro sollen dabei als nicht rückzahlbare Zuschüsse fließen. Auf der Basis der deutsch-französischen Vorschlags legte die EU-Kommission Ende Mai ein umfassendes Konjunkturprogramm über 750 Milliarden Euro vor.
In der EU hatte Merkels haushaltspolitische Kehrtwende für Überraschung gesorgt. Nicht zuletzt wegen ihrer harten Haltung in der Griechenland-Krise genoss Merkel lange Zeit einen Ruf als „Spar-Kanzlerin“ und Gegnerin einer höheren Verschuldung.
Skeptisch stehen vor allem die „sparsamen Vier“ – Dänemark, Schweden, Österreich und die Niederlande – dem Kommissionsvorschlag gegenüber. Sie verlangen, dass im Rahmen des Wiederaufbaufonds ausschließlich Kredite vergeben werden. In mehreren europäischen Hauptstädten warben Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) und Macron in den vergangenen Wochen für Zustimmung zu dem Zuschuss-Modell.
In einem am Samstag veröffentlichten Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ und mehreren weiteren europäischen Medien verteidigte Merkel ihren Kurswechsel. Angesichts der verheerenden Folgen der Corona-Pandemie sei es „geboten, dass Deutschland nicht nur an sich selbst denkt, sondern zu einem außergewöhnlichen Akt der Solidarität bereit ist“, sagte Merkel. Sie arbeite dafür, „auch die Länder zu überzeugen, die bisher Krediten zustimmen, aber Zuschüsse ablehnen“.
Man sei „optimistisch, entschlossen und willens“, noch im Juli zu einer Einigung im Finanzstreit zu finden, hieß es zuletzt aus dem Elysée-Palast.
Trotz verbreiteter Vorbehalte rechneten auch EU-Diplomaten mit einer Einigung auf den deutsch-französischen Vorschlag. Er gehe davon aus, dass „Deutschland beim Wiederaufbaufonds den ganzen Prozess diktieren“ werde, sagte ein Diplomat. „Dies wird eindeutig eine Merkel-Präsidentschaft sein, ihr Schwanengesang“, sagte ein weiterer. Merkel werde die sechsmonatige Ratspräsidentschaft nutzen, um ihr politisches „Erbe zu gestalten“.
Die Bundesregierung hat angekündigt, während der Ratspräsidentschaft unter anderem auch den Klimaschutz voranzutreiben. Über den ehrgeizigen „Green Deal“ der EU-Kommission wollen Merkel und Macron am Montag ebenfalls beraten. Vor seiner Abreise nach Berlin kündigte Macron an, Merkel zu größeren Zugeständnissen beim Klimaschutz drängen zu wollen – unter anderem mit Blick auf eine CO2-Grenzsteuer. Merkel gilt als Skeptikerin der Forderung.
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