Nach sieben Wochen strenger Corona-Auflagen hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) weitreichende Lockerungen angekündigt. Die Kontaktbeschränkungen wurden allerdings bis 5. Juni verlängert, wie Merkel am Mittwoch sagte. Neu daran ist, dass sich künftig auch Menschen aus zwei Haushalten im öffentlichen Raum treffen dürfen. Geschäfte können ohne Begrenzung, aber unter Einhaltung strenger Hygienemaßnahmen öffnen. Die Öffnung von Gaststätten und Hotels sowie der Schul- und Kita-Betrieb werden von den einzelnen Bundesländern geregelt.
Ein Notfallmechanismus soll greifen, wenn Landkreise oder kreisfreie Städte mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner über einige Tage verzeichnen. Dieser Mechanismus erlaube es, die Beschränkungen regional wieder zu verschärfen, wenn die Zahl der Neuinfektionen ansteige, sagte Merkel. Es gebe derzeit aber nur einen einzigen Landkreis mit mehr als 50 akuten Corona-Fällen pro 100.000 Einwohnern.
“Wir gehen einen mutigen Weg”, sagte Merkel nach den Spitzenberatungen mit den Regierungschefs der Länder in Berlin. “Wir können uns ein Stück Mut leisten, aber wir müssen vorsichtig bleiben”. Die Zahlen zu den Neuinfektionen seien “sehr erfreulich”, betonte die Kanzlerin. “Wir haben die allererste Phase der Pandemie hinter uns.” Es müsse aber immer bewusst sein, “dass wir immer noch am Anfang der Pandemie sind”.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) zeigte sich vor allem mit dem vereinbarten Notfallmechanismus zufrieden, mit dem künftige Einschränkungen regional begrenzt werden können: “Diese Notbremse, das ist sozusagen die Notfallpolice.” Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wies auf die gestärkten Kompetenzen der Länder in der Corona-Politik hin: Diese trügen nun “sehr große Verantwortung”.
Bundesweit gilt dem Beschluss zufolge weiterhin der Mindestabstand von eineinhalb Metern und das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes im öffentlichen Raum, vor allem im Nahverkehr und in Geschäften. Menschen in Pflegeheimen dürfen wieder von einer Kontaktperson regelmäßig besucht werden, wie Merkel weiter ankündigte.
Die 1. und 2. Fußballbundesliga kann in der zweiten Maihälfte ihren Spielbetrieb wieder aufnehmen, zunächst ohne Publikum. Dem Beschluss zufolge ist zudem Breiten- und Freizeitsport unter freiem Himmel unter Auflagen wieder erlaubt.
Merkel sagte mit Blick auf die Öffnung von Gaststätten, das werde eine “Riesen-Herausforderung” sein. Es gehe darum, überall die Hygienevorschriften einzuhalten und dafür zu sorgen, dass die Abstände zwischen den Tischen eingehalten werden.
In dem Bund-Länder-Beschluss heißt es dazu, die Länder entscheiden “in eigener Verantwortung vor dem Hintergrund des jeweiligen Infektionsgeschehens und landesspezifischer Besonderheiten über die schrittweise Öffnung der Gastronomie und des Beherbergungsgewerbes für touristische Nutzung”.
Die Wiederaufnahme des Schulunterrichts solle in der Zuständigkeit der Länder fortgesetzt werden. “Ziel ist, dass in Abhängigkeit vom Infektionsgeschehen bis zu den Sommerferien jede Schülerin und jeder Schüler einmal die Schule besuchen kann”, so der Beschluss.
Ebenfalls den Ländern obliegt der Übergang des Kita-Betriebs von der Notbetreuung “in den eingeschränkten Regelbetrieb” sowie die Öffnung der Hochschulen und anderer außerschulischer Bildungseinrichtungen.
Die Opposition zeigte sich unzufrieden mit den Beschlüssen. “Was weiterhin fehlt, ist ein Fahrplan, um die Wirtschaft wieder anzufahren”, kritisierte FDP-Chef Christian Lindner. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter kritisierte das “unkoordinierte Vorpreschen mehrerer Länderchefs in den vergangenen Tagen”. Er habe “die Sorge, dass uns die Situation entgleitet”. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die Beschlüsse zur Kita-Öffnung als “zu dürftig”.
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